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Explosive Perspektive. Die Künstlerinnen Melissa Steckbaur, Magdalena Bichler, Leiterin der Galerie am Körnerpark Dorothee Bienert, Mathilde ter Heijne, Nine Budde, Juliane Solmsdorf und Nina Rhode (v. l.) in der Ausstellung „Erogenous Zone“.

© Thilo Rückeis

KUNST: Axt und Stöckelschuh

Die Galerie am Körnerpark zeigt erotische Werke von Frauen. Ein Besuch bei den Künstlerinnen. Für Juliane Solmsdorf und Mathilde ter Heijne, den beiden Ausstellungsmacherinnen, spielt der Humor dabei eine große Rolle.

Der Rasen vor der Galerie im Körnerpark ist mit einer zuckrigen Schneeschicht bedeckt, drinnen sind Künstlerinnen damit beschäftigt, Bilder und Skulpturen auszupacken. In einer Kiste liegt eine Axt aus Porzellanblumen, in einer anderen eine Serie mit Zeichnungen, sie zeigen die isländische Künstlerin Guðný Guðmundsdóttir mit einer geheimnisvollen Maschine hantierend. Mathilde ter Heijnes „Black Hole“, ein großer, schwarzer Spiegel mit Holzrahmen, will aufgehängt werden.

In zwei Tagen muss alles an seinem Platz sein, dann eröffnet die Ausstellung die „Erogenous Zone“, die die Künstlerinnengruppe „ff“ auf die Beine gestellt hat. 40 Künstlerinnen sind daran beteiligt, bis Mitte Mai läuft zudem ein üppiges Begleitprogramm mit Lesungen, Konzerten und Performances. So viel Raum gab es für die Themen Sexualität und Erotik im Kontext der bildenden Kunst lange nicht mehr.

Die Techniker der Galerie schieben Wagen mit Werkzeug durch den Raum, die Klingelanlage der jungen Künstlerin Ellie de Verdier haben sie bereits installiert. Wer auf den Knopf drückt, dem brummt ein anzügliches „hot guys“ entgegen. Humor sei auch wichtig, sagt Juliane Solmsdorf, die das Ausstellungsprojekt zusammen mit Mathilde ter Heijne kuratiert.

Hinter dem Programm steht das feministische Netzwerk „ff“, eine sich ständig wandelnde Gruppe von Künstlerinnen, die seit 2011 existiert. Die Beteiligten sind befreundet oder kennen sich von gemeinsamen Ausstellungen. Die Mischung ist bunt. Manche beschäftigen sich intensiv mit feministischen Themen, andere weniger. Nur ein Kriterium gilt für alle: Sie sind Frauen, und sie wollen ausstellen. Im umkämpften, männerdominierten Betrieb der bildenden Kunst ist das für Frauen nicht immer leicht, zumal mit feministischen Positionen. Der „Spiegel“ schreibt in seiner aktuellen Ausgabe: „In der Welt der Kunst gibt es keine Gleichberechtigung.“ Deutschland sei sogar noch rückständiger als andere westliche Länder, was zum Beispiel das Männer- Frauen-Verhältnis von Ausstellungsbeteiligungen angeht oder die Preise für Kunstwerke.

„Ich fühlte mich ein bisschen alleine mit meinen feministischen Themen und war froh Leute zu finden, mit denen ich mich verbinden kann“, sagt Mathilde ter Heijne während einer Verschnaufpause. Die in Straßburg geborene Künstlerin lebt schon lange in Berlin, lehrt an der Kunsthochschule in Kassel und hat mehr als 450 Ausstellungen im In- und Ausland absolviert. Sie ist gut verankert und hat dennoch „riesigen Bedarf“ an einer Plattform wie „ff“, bei der Frauen nach eigenen Bedingungen ihre Kunst präsentieren. Dabei sind viele der Beteiligten ohnehin schon sehr aktiv im Berliner Ausstellungsgeschehen. Juliane Solmsdorf initiierte verschiedene Projekträume, Melissa Steckbauer betreibt den Moabiter Off-Space „The Wand“. Auch die für ihre hyperrealistischen Zeichnungen bekannte Antje Majewski kuratierte Ausstellungen, inszenierte an der Volksbühne und ist Professorin an der Kunsthochschule Weißensee.

„Manchmal kann es total gut sein, unter Frauen zu sein, und die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, ohne männlichen Kommentar“, sagt Solmsdorf. Gerade beim Erkunden der Themen Erotik und Sexualität ist es spannend, wenn die Männer einmal nicht mitreden, denn kaum ein Thema ist so stark von männlichen Bildern und Vorstellungen geprägt. Bei den Frauen herrscht verkrampftes Schweigen über die weibliche Sexualität. Auch wenn sie ihre BHs in den Siebzigern weggeworfen haben, sind bestimmt Fesseln im Kopf geblieben. „Die weibliche Sexualität wurde lange Zeit beherrscht, durch die Kirche, durch männliche Strukturen, so wurden Frauen an ihrem Platz gehalten. Die Erotik hingegen ist ein weites Feld, sie lässt sich nicht festlegen“ sagt ter Heijne. Wie sich die Sicht auf die sexuelle Freiheit in den letzten 40 Jahren verändert hat, ist eine der Fragen, die die Ausstellung stellt. Wie kann Sexualität auf andere Art dargestellt werden? Was finden Frauen überhaupt erotisch?

Die Antworten sind sehr heterogen. Die entfernt an ein Kreuz erinnernde Installation aus Dutzenden von abgebrannten Feuerwerkskörpern der Berliner Künstlerin Nina Rhode wird zur Metapher für explosive Sinnlichkeit. Auch hochhackige Schuhe sind im feministischen Kontext nicht tabu, sondern stehen für Präsenz. Magdalena Bichler hat für ihre Skulptur ein nostalgisches Fotonegativ, das ein Paar schwarze Highheels zeigt, vor drei Neonröhren platziert, dem Lieblingsmaterial amerikanischer Minimalisten. „Starke Frauen sind für mich Erotik. Es ist nicht das Körperliche, sondern das Innere, das nach außen strahlt“, sagt Bichler. Solmsdorf interessiert sich in ihren Arbeiten für die erotische und malerische Qualität von Nylonstrumpfhosen, die sie mit Kraftanstrengung über hölzerne Rahmen zieht. Mathilde ter Heijnes große, schwarze Spiegelskulptur oszilliert zwischen dem großen „Nichts“, zu Shakespeares Zeiten eine gängige Metapher für die Vagina, und einer Anspielung auf Naturreligionen, in denen derartige Spiegel dazu dienen, in die Zukunft zu sehen.

Während sie sich ter Heijne für den kunstgeschichtlichen Kontext der Erotik interessiert, ist es bei Solmsdorf eher eine subjektive, explorative Herangehensweise. Ter Heijne hat Künstlerinnen zur Ausstellung eingeladen, von denen sie wusste, dass sie bereits erotische Werke gemacht hatten. Für Solmsdorf war das kein Kriterium, sie wählte Künstlerinnen, deren Arbeit sie schätzt, und die aus ihrer Sicht zu wenig präsent sind. Das sind sehr unterschiedliche Ansätze, was die beiden allerdings nicht davon abhält zusammenzuarbeiten. Das Kooperieren trotz unterschiedlicher Vorstellungen ist ein wichtiger Punkt bei den Aktivitäten von „ff“.

Und was bedeutet der Begriff Feminismus heute noch? Auch darüber gibt es bei „ff“ kein einheitliches Verständnis. „Für mich ist Feminismus gegenseitige Unterstützung“, sagt Solmsdorf. „Feminismus bedeutet, die patriarchale Gesellschaft zu untersuchen und gegebenenfalls zu untergraben. Das kann man nur gemeinsam schaffen“, meint ter Heijne.

Es gibt einige Arbeiten, vor allem Zeichnungen und Videos, die die kommunale Galerie am Körnerpark wegen des expliziten Inhalts nicht in ihren Räumen haben wollte. Solmsdorf und ter Heijne haben deshalb den nahe gelegenen Projektraum Pony Royal als zweiten Ausstellungsort gewonnen. Dort ist zum Beispiel ein Video der amerikanischen Künstlerinnen A.L. Steiner und A.K. Burns zu sehen, das sehr sinnliche bis pornografische queere Performances zeigt. Die Sequenzen propagieren einen seelischen und körperlichen Zustand, in dem immer wieder Neues gewagt und Widersprüche auch offengelassen werden können.

Und so beginnt das Alphabet der Erotik weder bei A noch endet es bei Z. Es wird immer wieder neu zusammengesetzt.

Galerie im Körnerpark , Schierker Str. 8, Eröffnung: Fr 22.3., 18 Uhr, bis 21. April, Di–So 10–20 Uhr; Pony Royal, Siegfriedstr. 12, Sa–So 10–20 Uhr und nach Vereinbarung unter ff@fffffff.org

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