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KUNST Stücke: Frauen schauen

Daniel Völzke wirft einen strengen Blick auf den weiblichen Akt

Der Tod und das Mädchen, was haben die beiden schon Tänze hinter sich! Ewig lockt der Knochenmann, womöglich heute noch so ölig wie einst im Gedicht von Matthias Claudius: „Gib deine Hand, du schön und zart Gebild!“ Die Mädchen, die uns in der ersten Einzelpräsentation des Nürnberger Künstler Markus Putze bei Jarmuschek und Partner begegnen, sind darauf reingefallen (bis 21. Juli, Sophienstraße 18). Einer ist der Gevatter ins Haar gekrochen, fast übersieht man die hohnlachenden Schädel im Geflecht. Der 1968 geborene Putze liebt das Versteckspielen und hat seine wuchernde Waldidylle direkt auf die Mauer gemalt. Die darauf fixierten Aquarelle (420 bis 1190 Euro) fallen kaum auf – als wühlten sich deren Motive mit ins Unterholz. Wolken (wie) aus alten Stichen schweben über der Szene. Und überall hübsch gemalte und gezeichnet Porträts von langhaarigen, oft barbusigen Frauen. Der Schnitter hat sich, so scheint es, bei all den Waldnymphen eingenistet: hinter trägen Lidern, in ihren gesenkten Köpfen. Versteckt sich in diesem Wald etwa auch ein bedenkliches Frauenbild? Etwas Naturwüchsiges haben sie schon, diese Romantik-Pin-ups, und Unheil bringen sie offenbar, wenn man sich mit ihnen einlässt. Markus Putze spielt wirkungsvoll und etwas gefällig mit romantischer Sehnsucht. Man hat solche vage erotischen Melancholikerinnen in junger, deutscher Malerei inzwischen zu oft gesehen. Zum Glück übernimmt der Künstler aber auch die Ironie der Romantik: Eine schwache Glühbirne hängt vor der Wandinstallation tief von der Decke. Nähert sich der Besucher den Bildern, verdunkelt sein Schatten die Arbeiten.

Fern von allem Dickicht weht in der Galerie Barbara Thumm ein kühlerer Wind. Julian Opie hat wieder einmal aufgeräumt. Bekannt wurde der Brite durch seine entrümpelten Gesichter: Punkt, Punkt, Strich, Strich, fertig ist das Opie-Gesicht. Trotz der immer gleichen reduzierten Ausführung ähnelten die Porträts den Porträtierten. Nachdem Opie auch Autos und Landschaften in Farbflächen zerlegt hat, versucht er sich nun am weiblichen Akt. „This is Shahnoza“ heißt die Serie von Vinylbildern (25 000 Euro), zwei Leuchtkästen (40 000 Euro) und einer Computeranimation auf Flachbildschirm (30 000 Euro). Shahnoza, das sind ein runder und ansonsten leerer Kopf, zwei Brustwarzen, Bauchnabel, ein Venushügel oder schmaler Schamhaarstreifen. Dünne Beine, um deren Waden sich Bändchen wickeln. Shahnoza kreist die Hüfte, räkelt und verrenkt sich. Laszive Lakonik ohne Feinsinn: Shahnoza ist Stripteasetänzerin und der weibliche Akt auf eine Tabledance-Silhouette reduziert. Doch während Opie mit den Porträts bei maximaler Reduktion noch Empathie zu wecken vermochte, lässt einen Shahnoza kalt. Kein zart Gebild, sondern ein Piktogramm aus einer Tanzanleitung (bis 28. Juli, Dircksenstraße 41).

Daniel Völzke

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