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KUNST Stücke: Im Zeitflug

Der rostige Stahl wellt sich lässig, kräuselt sich wie trockene Borke, Verfall frisst an den Rändern und der schrundigen Oberfläche. Der untere Teil der Wandskulptur aber ist glatt geschmirgelt, schnittig gefaltet und scheint in rasendem Flug herabzusausen.

Der rostige Stahl wellt sich lässig, kräuselt sich wie trockene Borke, Verfall frisst an den Rändern und der schrundigen Oberfläche. Der untere Teil der Wandskulptur aber ist glatt geschmirgelt, schnittig gefaltet und scheint in rasendem Flug herabzusausen. In der kleinen Retrospektive Nachzeit (Am Kupfergraben 10, bis 12.3.) bei Contemporary Fine Arts ist die Gabe von Katja Strunz zu erleben, Eleganz durch die Rohheit des Materials zu brechen. In einem einzigen Objekt drosselt sie das Tempo und beschleunigt es zugleich. Sie katapultiert die Vergangenheit in die Gegenwart und treibt die Spannung zwischen den Zeiten am Knick oder an der Bruchstelle auf die Spitze. Die früheste Arbeit in der Ausstellung, ein Foto von 2001, zeigt deutlich diese gegenläufige Bewegung. In einem verfallenen Treibhaus ranken Brombeeren. Der langsame Untergang wird verdeckt vom schnellen Wachstum, das selbst nur vorübergehend ist: „Summer Habitation“ (3500 Euro). Auch in den Collagen aus gebleichtem Papier trifft die Dynamik des Konstruktivismus auf die Nostalgie von vergilbten Löschblättern. Indem sie den rasanten Formen die Geschwindigkeit nimmt, stellt Katja Strunz blinden Aktionismus infrage. Zur Nachzeit gehört das Nachdenken. Erst wenn der Widerstand abhanden kommt, laufen ihre Arbeiten Gefahr, gefällig zu werden. Die Uhren aus der Werkstatt ihres Großvaters sind zu leicht lesbar. Da fehlt das Sandkorn im Getriebe.

Während Katja Strunz darauf beharrt, dass ein Heute ohne ein Gestern nicht möglich ist, lässt Zhivago Duncan im Erdgeschoss der Galerie die Gegenwart bei einer Katastrophe untergehen (bis 26.2.). Sein Held, Dick Flash, reist als einzig Überlebender in eine unbekannte Zukunft. In einer Vitrine hat der Künstler eine futuristische Märklinwelt geschaffen, „Pretentious Crap“ nennt er selbst das Diorama. Dennoch ist die Zukunft für 50 000 Euro schon verkauft. Die Biografie des 30-Jährigen liest sich verschnörkelt: Duncan ist als Sohn einer Syrerin und eines Dänen in den Vereinigten Staaten geboren, hat in London studiert und ist vor drei Jahren auf dem Weg nach Hongkong in Berlin geblieben. In seinen großen Leinwänden (15 000 Euro) überlagern sich Zeichnung, Siebdruck und Malerei, mischen sich historische Studien der Anatomie mit Hiphop-Sprüchen. Seine Kunst flirtet mit Street-Art und Pop, ist aber noch nicht bei sich angelangt. Die Galerie hat Duncan bereits in ihrer Youngsters-Filiale Vittorio Manalese gezeigt. Die Arbeiten treten selbstgewiss auf, doch der kokette Dick und der ewige Totenschädel wirken ein bisschen zu sehr wie die Utensilien aus der Bastelbox für böse Buben.

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