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KUNST Stücke: Kunst und Risiko

Michaela Nolte schaut Kunst an, die sich selbst an Grenzen bringt.

Sechs Holzschnitte eines einzigen Porträts zeigt Franz Gertsch in der Galerie Haas & Fuchs (Niebuhrstraße 5, bis 20. Juni) und erweist sich damit als geradezu minimalistischer Maler. In der Beschränkung auf ein Motiv steigert der 1930 geborene Schweizer, der als Fotorealist Anfang der 70er Jahre berühmt wurde, die ihm eigene Intensität zu faszinierender Ruhe und Konzentration. „Silvia“ tritt aus den nahezu monochromen Farbfeldern nicht als naturalistisches Bildnis hervor, sondern erscheint als Wesen außerhalb von Zeit und Raum. Was vordergründig realistisch wirkt, verwandelt Gertsch in seinen Holzschnitten zur bildlichen Abstraktion. Die Schulterpartie gewinnt die skulpturale Qualität einer Büste, das fein gestichelte Haar wirkt wie ein Nest aus kleinen Zweigen. Das Thema con variazioni spielt auf einer reduzierten Klaviatur: Sechs mattzarte Farbnuancen unterscheiden die „Bagatelle (Silvia)“. Mit Maßen von 130 auf 107 Zentimetern sind sie zwar verhältnismäßig klein, doch stehen sie in der Detailbesessenheit den überdimensionalen Holzschnitten, mit denen sich Gertsch Mitte der Achtziger für ein Jahrzehnt von der Malerei verabschiedete, in nichts nach. Gertsch bleibt bis heute seinen Prinzipien der Langsamkeit und existenziellen Tiefe treu. Pro Jahr entsteht ein Gemälde, dazu kommt eine überschaubare Anzahl an Holzschnitten, von denen jeder seinen eigenen Farbklang hat und damit ein Unikat ist (je 58 000 €).

Ein „Stau“ zieht mit Folke Köbberling und Martin Kaltwasser in die Galerie Dreher. Die ersten Meter führen in einen (fast) leeren Raum. Aus einer kleinen Box säuselt eine Frau auf Französisch, ihr Sound-Loop-Singsang führt mitten in den Tumult metropoler Blechlawinen. Das böse Erwachen kommt nebenan: Mit Liebe zum Detail und handwerklicher Perfektion hat das Künstler-Duo einen Geländewagen aus Holz nachgebaut und gegen die Wand fahren lassen. In der Galerie (Pfalzburger Straße 80, bis 20. Juni) lässt das Modell „White Trash“ den Raum zur Kammer schrumpfen, Bruchstücke und Kollisionsfetzen klaffen aus der Motorhaube. Die Idee ist nicht neu, aber die Probleme sind es schließlich auch nicht. Allemal trotzen Köbberling und Kaltwasser mit ihren hintersinnigen, auf ‚Umsonst-Ressourcen’ basierenden Aktionen und Interventionen dem erweiterten Skulpturbegriff zeitgenössische Aspekte ab. Den sündhaft teuren „Offroadern“ setzt das Berliner Duo recyceltes Material entgegen. Gefahr lauert allein in der gedanklichen Karambolage. Poetischer wird es im dritten Raum, in dem ausrangierte Ampeln aus dem Hansa-Viertel zu einer magischen Bodeninstallation arrangiert sind. Im Largo wechseln die Phasen mit hörbarem Klicken die Farbe, tauchen den Raum in warnendes Rot oder freie Fahrt suggerierendes Grün. Wenn alle stoppen und alle fahren, ist der Stillstand perfekt (Preise auf Anfrage).

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