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KUNST Stücke: Reis für die Welt

Michaela Nolte amüsiert sich mit Multimediakunst

Pionieren eilt ihr Ruf manchmal so weit voraus, dass sie ihn selbst nicht mehr einholen können. 1969 hat Ira Schneider mit dem allerersten Closed-Circuit-Video Medienkunstgeschichte geschrieben. In seiner Ausstellung bei Kunstpunkt (Schlegelstr. 6, bis 27. Sept.) ist wenig Innovatives zu sehen. Video- und Fotokamera schwelgen in „H2O“ durch Venedigs Kanäle. Ein malerisch-poppiges Wellenspiel, das der Amerikaner zu einer Ornamentik stilisiert, die Oberflächenspannung oder Tiefe vermissen lässt. Dem gegenüber stehen die „Vier Jahreszeiten“: die Lagunenstadt im Karneval, oder ein mit der Handkamera gefilmter BiennaleRundgang. Wem der Hannah-HöchPreisträger von 2006 hier auf die Spur kommen will, bleibt offen. (100 – 1600 €).

Costantino Ciervo

baut das Closed-Circuit installativ zu „Vicious Circles“ aus, mit denen der 1961 geborene Neapolitaner die Teufelskreise der globalen Ökonomie in multimediale Zeichen übersetzt. Das wirkt theorielastig, wenn Ciervo sich in der Galerie Sakamoto (Oranienstr. 164, bis 3. Nov.) mit „Hermeneutischen Anmerkungen“ erklärt. Doch dem Kapitalismustraktat steht eine ebenso komplexe wie erfrischend sinnliche Kunst gegenüber. Computercodes werden zu Metaphern um Sein oder Nichtsein im alltäglichen Termindruck, in einem Video-Objekt nagt künstlich erzeugter Papierfraß an Meyers Konversationslexikon von 1886. Nackte Individuen aus fünf Kontinenten ringen in Abfalltonnen um das „Who am I?“, während auf einer von Reiskörnern übersäten Weltkarte Zungen die Symbole des Abendlands ebenso lüstlich wie eklig auslutschen (2000 – 20 000 €).

Dem Beobachter als Objekt der Dekonstruktion massenmedialer Kulte widmet sich einmal mehr

Paul Pfeiffer

. Rot, gelb und blau gewandet, fliegen Fußballer durch drei Monitore. Die Namen und Vereins-Logos dieser „Karyatiden“ sind ebenso ausgelöscht wie ihre Gegner. Im Zeitlupen-Loop grüßt Barnett Newmans „Who’s Afraid of Red, Yellow and Blue“. Furcht gebieten die einsamen Säulenheiligen nicht; in ihrer überbordenden Theatralik sind sie beklemmend komisch.Von gewohnter Brillanz sind Pfeiffers weiträumig arrangierte Installationen bei carlier | gebauer (Markgrafenstr. 67, bis 11. Okt.) und variieren hintergründig die mediale Allgegenwart. Doch die Eindringlichkeit der frühen Arbeiten beginnt allmählich zu verblassen. Dass der 1966 auf Haiti geborene Pfeiffer zu den Stars der Video-Szene zählt, belegen nicht zuletzt Preise von 86 000 bis 214 000 Dollar.

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