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KUNST Stücke: Tief sehen

Christiane Meixner schaut sich unter der Oberfläche um

Willkommen an der Oberfläche, denn nichts ist so wichtig wie der erste Eindruck. Die Aufmachung muss makellos sein, und so beschäftigt sich die Ausstellung „Making up“ in der Galerie Artembassy (Anna-Louisa-Karsch-Straße 7, bis 22.9.) mit unterschiedlichen Formen der Inszenierung. Man begegnet ihr auf den Fotografien von Peter Wagner, auf denen Models unter enormen Mühen zurechtgemacht werden – bloß damit sie am Ende aussehen, als sei ihr perfektes Aussehen pure Natur. Ein Widerspruch, den auch die Arbeiten der anderen Künstler nicht auflösen, sondern in all seiner Vertracktheit spiegeln. Die Japanerin Hanayo kleidet ihre Tochter in traditionelle Geisha-Gewänder und fotografiert sie so traumverloren, dass die Distanz dieser Kunstfigur zum Alltag noch ein bisschen deutlicher wird. Kathrin Günter montiert sich selbst in Paparazzi-Aufnahmen und enthüllt, dass deren Bildsprache auch der Ästhetik alter Meister entlehnt ist. Und Daniela von Nayhauß koppelt die vorgeblichen Idyllen auf ihren Gemälden gleich ganz von der Realität ab und schafft artifizielle Szenen, in denen die Menschen bloß noch als Abziehbilder agieren: Hinter dem schönen Schein lauert eine normierte Welt ohne die Chance auf Individualität.

Ein Zeichen ganz eigener Art setzt die Galeristin Sassa Trülzsch. Aus ihrer Unzufriedenheit mit dem schnellen und häufig oberflächlichen Blick vieler Galeriebesucher ist die Ausstellung „Stundenbuch“ erwachsen, in der jedes vorgestellte Blatt separat in einer Mappe steckt. 13 Exemplare lehnen nun an der Wand und verlangen – Ruhe, Konzentration, vor allem aber Neugierde. Wer bereit für die neue Langsamkeit ist, die Mappen nacheinander aufschlägt und sich vielleicht sogar nach jenen 13 pataphysischen Monatsnamen erkundigt, die in schwarzen Buchstaben auf ihren Vorderseiten aus hellem Karton prangen, der wird in Trülzschs Studio (Kurfürstenstr. 12, bis 28.9.) mit einem nachhaltigen Eindruck belohnt. Denn es erhöht nicht nur die Aufmerksamkeit, dass man sich immer nur ein Blatt anschauen kann. Auch die intime Nähe zu den Arbeiten macht sie einem schnell vertraut: Details werden sichtbar, für die man sonst kein Auge hat. Die Zeichnungen und Fotografien etablierter Künstler wie Dieter Detzner oder Karin Sander wechseln mit jüngeren Positionen, etwa von Fiete Stolte, Martina Schmücker und Bertram Hasenauer, der seine Körperstudien auf eine Hand reduziert, die allerdings minutiös mit dem Bleistift ausgeführt ist. Ergänzt werden sie durch ungewöhnliche Galerie-Exponate wie ein Autograf und eine wissenschaftliche Illustration. In der Zusammenschau reflektieren sie die Wirklichkeit auf vieldeutige Art – worüber man mit der Galeristin auch noch eine Weile reden kann.

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