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Kultur: Kursk-Tragödie: Offener - aber nicht offen

Alles soll besser werden und ganz anders. So jedenfalls versprach es Russlands Generalstaatsanwalt Wladimir Ustinow und ging mit vermeintlich gutem Beispiel voran.

Alles soll besser werden und ganz anders. So jedenfalls versprach es Russlands Generalstaatsanwalt Wladimir Ustinow und ging mit vermeintlich gutem Beispiel voran. Am Samstagabend zeigten alle großen russischen Fernsehkanäle Ustinow, der seine himmelblaue Operettenuniform mit dem wasserabweisenden Stahlblau der Kanalarbeiter vertauscht hatte, bei einem Inspektionsrundgang im verwüsteten Wrack der "Kursk". Höchstpersönlich kommentierte der oberste Ankläger Russlands auch das Gesehene.

Gefilmt hatte ihn dabei ein sorgfältig ausgewähltes Team des Staatsfernsehens. Dennoch erging, wie die Nachrichtenagentur "Interfax" meldete, nicht nur an dessen Programmdirektor, sondern auch an die Kollegen von der Konkurrenz die strikte Anweisung, die Reportage nicht selbst zu kommentieren und von kürzenden Schnitten oder anderen "Veränderungen und Entstellungen" Abstand zu nehmen.

Graue Eminenz im Kreml

Offiziell zeichnet die Presseabteilung der Staatsanwaltschaft für den Erlass verantwortlich. Insider gehen jedoch davon aus, dass Putins Berater für besonders heikle Angelegenheiten, Sergej Jastrschembski, wieder einmal im Hintergrund die Fäden zog. Als der Krieg in Tschetschenien die Welt noch interessierte, versuchte Jastrschembski schon, meist sogar mit einigem Erfolg, aus Halbwahrheiten und selektierter Information der Öffentlichkeit ein Bild zu verkaufen, das mit der Sicht des Kremls auf die Lage der Dinge identisch war. Auch bei den chaotischen Rettungsversuchen für die Mannschaft der "Kursk" im letzten Jahr, führte des Kremls graue Eminenz diskret im Hintergrund Regie.

Zugelassen war damals nur ein Drehteam des Staatsfernsehens, das von hohen Marineoffizieren noch dazu vor laufender Kamera zensiert wurde. Vom negativen Echo im westlichen Ausland und in Russland aufgeschreckt, verordnete der um sein demokratisches Image besorgte Putin daher schon zu Beginn der Bergungsarbeiten im Sommer den Militärs maximale Transparenz: Nur Staatsgeheimnisse sollten nicht ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt werden. Ein offenbar dehnbarer Begriff.

"Sie sehen nichts"

Mitarbeiter der holländischen Bergungsfirma "Mammoet" wurden lange vor Beginn der Operation zu absoluter Abstinenz gegenüber der Presse verdonnert und bei der Bergung selbst wurden tagelang immer dieselben Bilder gezeigt, die kritische Journalisten mit dem Kommentar "Wie Sie sehen, sehen Sie gar nichts" auf die Reise schickten.

Frei nach Lenin gilt die Devise "zwei Schritte vor und einen zurück" noch immer für russische Presse- und Informationspolitik.

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