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Beeindruckend: Iordanka Derilova als Königin Nyssia

© Claudia Heysel

Kurt Weill-Fest in Dessau: Für alles Geld der Welt

Das Anhaltische Theater Dessau steuert eine Inszenierung von Alexander Zemlinskys spätromantischer Oper „Der König Kandaules“ zum diesjährigen Kurt Weill-Fest bei.

Zum Schwerpunkt des 31. Kurt Weill-Festivals – es steht unter dem Motto „Im Zeichen des Umbruchs“ - scheint die diesjährige Eröffnungspremiere „Der König Kandaules“ von Alexander Zemlinsky im Anhaltischen Theater nicht zu passen. Während in 50 Programmpunkten bis zum 12. März auf unterschiedlichen Spielstätten, nicht nur im Bauhaus, sondern unter anderem auch auf einem Theaterschiff oder in einem Ausbesserungswerk der Deutschen Bahn die „goldenen Zwanziger Jahre“ im Mittelpunkt stehen, handelt es sich bei der Oper „Der König Kandaules“ um ein Werk, das Zemlinsky erst Mitte der dreißiger Jahren begonnen hatte und das er auch später im amerikanischen Exil nicht zu Ende führen konnte.

Der britische Dirigent und Musikwissenschaftler Antony Beaumont hatte schließlich eine Endfassung hergestellt, die erst 1996 in Hamburg zur Uraufführung kam. Inzwischen dürfte „Der König Kandaules“ allerdings die meistgespielte Oper Zemlinskys geworden sein. Doch auch wenn sie zunächst wenig mit Weill zu tun zu haben scheint - die Aufführung in Dessau legt eine neue Sicht auf den „König Kandaules“ frei und rückt ihn überraschend in die Nähe von Brechts Lehrstücken.

Das liegt zunächst an dem von Zemlinsky verfassten Libretto, dem ein Drama von André Gide zugrunde liegt. Am antiken Stoff über den unermesslich reichen Kandaules und über seinen Freund, den bettelarmen Fischer Gyges, wird über Glück, das Sichtbar-Machen von Glück und die Teilhabe am Eigentum sinniert. Mit Gyges will Kandaules nämlich auch die Frau, die er als Eigentum sieht, teilen.

Im Geiste von Bertolt Brecht

Bereits im Prolog („Der sein Glück hält, soll sich gut verstecken. Und besser noch, sein Glück vor anderen“) wird die Musik durch Sprechpassagen unterbrochen, aber sonst lässt Zemlinsky immer wieder Freiräume zu, die trotz großem Orchester die Gesangstexte mit ihren oft paradoxen philosophischem Reflexionen durchhörbar machen. Eigentlich braucht es in Dessau keine Übertitel, so wortdeutlich agieren hier die Sänger.

Tilmann Unger als König Kandaules und Kay Stiefermann als Gyges

© Claudia Heysel

Indem sie das Geschehen in einem Studio, mit Regiestühlen, Scheinwerferlampen, verschiebbaren Wänden und einer großen Theaterwindmaschine spielen lässt, unterstreicht die Inszenierung von Jakob Peters-Messer das Lehrstückhafte des Werks. Sich-Produzieren, aber auch Sich-Unsichtbar-Machen – das kann Gyges durch einen Ring - wird lediglich durch Beleuchtungseffekte hergestellt.

Mit Verfremdungseffekt

Keine Jugendstilszenerie also wie bei „Salome“, die Gides 1899 entstandenes Drama, auch evozieren könnte, sondern Brechtsche Verfremdungseffekte. Auch die Frauen, die ihre Persönlichkeit hinter Schleiern auslöschen, wirken aktuell. Kostümbildnerin Sven Bindseil hat sich etwa bei der Königin Nyssia am Auftritt von Kim Karadashian bei der Met-Gala 2021 orientiert: Sie war provozierend in einem schwarzen Ganzkörperanzug aufgetreten, der auch Gesicht und Hände völlig verhüllte.

Die neun Höflinge und Diener des Königs sind auf eine Statements abgebende Talkrunde reduziert. Sie agieren kaum. Konzentriert ist so Zemlinskys Oper auf die in Dessau sehr beeindruckende Selbstdarstellung dreier Protagonisten, ein prahlerischer Heldentenor: Tilmann Unger als König Kandaules, realistisch auf dem Boden der Tatsachen stehend: Kay Stiefermann als Gyges und - gegen das Finale hin in ihren Ausbrüchen an Richard Strauß erinnernd - Iordanka Derilova als Königin Nyssia. Sie ruft schließlich Gyges zum Mord an ihrem Mann auf.

„Ultramodern“ soll Zemlinsky einem amerikanischen Journalisten auf die Frage geantwortet haben, wie man denn seine Musik einschätzen soll, und man weiß nicht, ob Zemlinsky das ironisch gemeint hat; im ersten Akt durchaus nahe an Kurt Weill oder Paul Hindemith, doch gleichzeitig und gegen Ende vermehrt an die Musik der vorletzten Jahrhundertwende anschließend. Markus L. Frank untermalt mit der Anhaltischen Philharmonie dabei nicht nur subtil die philosophischen Reflexionen des Werks, sondern versetzt das Publikum immer mehr in einen fast rauschhaften Sog. Ein intellektuelles Vergnügen.

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