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Kultur: Kurzpass-Spiel

"Vergessen wir einfach die Grenzen", forderte Filmregisseur Peter Greenaway und plädierte einmal mehr für die Souveränität des Betrachters. Und tatsächlich wird einem gerade während der Berlinale wieder besonders ins Gedächtnis zurückgerufen, dass letztlich jeder im dunklen Kinosaal seinen eigenen Film sieht.

"Vergessen wir einfach die Grenzen", forderte Filmregisseur Peter Greenaway und plädierte einmal mehr für die Souveränität des Betrachters. Und tatsächlich wird einem gerade während der Berlinale wieder besonders ins Gedächtnis zurückgerufen, dass letztlich jeder im dunklen Kinosaal seinen eigenen Film sieht. Viel vorgenommen hatte man sich daher beim Potsdamer "Einstein Forum", als man am Mittwoch in die Staatsbibliothek zur Diskussion über die "Framing Reality" des Kinos einlud. Obwohl manche auf eine Kontroverse hofften, die sich zwischen Andres Veiel, dem Regisseur der preisgekrönten Dokumentation "Black Box Deutschland", dem "Innere Sicherheit"- Drehbuchautor Harun Farocki und Christopher Roth, dessen "Baader" erst heute im Berlinale-Wettbewerb läuft, über Darstellungsfragen und Realitätsanteile im Film ergeben könnte, verlief die Diskussion erstaunlich harmonisch. Wohl auch, weil bisher keiner Roths Film gesehen hatte, dessen bewusstes Abweichen von historischen Ereignissen für heftige Irritation hätte sorgen können.

Berlinale 2002 Online Spezial: Internationale Filmfestspiele Tagesspiegel: Alle Berichte, Reportagen, Rezensionen Gewinnspiel: meinberlin.de verlost Filmbücher Fotostrecke: Stars und Sternchen auf der Berlinale Weil die Bertelsmann-Gruppe Geld gegeben hatte, musste, moderiert von "Tagesspiegel"-Herausgeber Hellmuth Karasek, auch ein wenig über das Verhältnis von Text und Film gesprochen werden. Doch der hierfür angekündigte Regisseur Carlos Saura hatte sich selbst kurzerhand auf den Nachmittag verlegt, um mit Greenaway über Hoch- und Populärkultur zu reden. "Die Künstler müssen daran festhalten, nicht zu gefallen" verlangte der Kulturtheoretiker Tony Gitlin eine Weiterführung der klassischen Aufgabe des modernen Künstlers, als Provokateur zu wirken. Gitlin war offenbar der Ansicht, dass viele Filme in diesem Sinn völlig wertlos seien. Unterstützt wurde er von Stimmen aus dem Publikum, die unter anderem darauf bestanden, dass Andy Warhol keine "richtige" Kunst sei.

Treffender wäre es vielleicht gewesen, statt über Hoch- und Massenkultur über die Autonomie der Kunst zu sprechen. Interessanterweise wandten sich gerade die, die nicht im Verdacht stehen, Büttel der Hollywoodindustrie zu sein, gegen Gitlins Lob der Hochkultur. Saura ("Für mich spielt der Unterschied keine Rolle") und noch mehr Greenaway gaben den Ball zurück: "Low Art ist doch nur jene Kunst, die noch von keinem Kritiker legitimiert wurde."

Rüdiger Suchsland

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