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Kultur: Lässige Helden

Rattle, Kožená und die Berliner Philharmoniker

Auf das Podium der Philharmonie traten: ein Held, eine liebes- und lebensdurstige Frau – und Arnold Schönberg. Letzterer zu seinem Schaden als Erster. Denn wenn die Berliner Philharmoniker und Simon Rattle seine Orchestervariationen op. 31 auch bewundernswert präzise darboten, so fehlte es ihnen doch an einer kraftvollen interpretatorischen These. Die aber ist vonnöten, wenn das Werk am Anfang eines opulenten und sinnlichen Philharmonie-Programms bestehen soll.

Schönbergs Behauptung, dass Kunst nicht von „Können“ sondern von „Müssen“ käme, unterstrich an diesem Abend aber erst Magdalena Kožená mit ihrer Sicht auf Maurice Ravels „Shéhérazade“. Anders als das Orchester, das sich auch hier zu sehr auf seinen Klangadel verließ und nicht alle Pianissimotöne der Solistin mitmachte, traute sich die Mezzosopranistin, ein Psychogramm zu zeichnen. Sie allein fragte nach dem Grund für die Gewaltfantasien in Ravels Asienträumereien. Und schon das mit einem Hauch von französischem Vorstadtslang ausgesprochene Wort „lässig“ genügte ihr, aus dem blassen Schönling, dem sie in „L’Indifferent“ nachblickt, einen Menschen aus viel Fleisch und viel Blut zu machen.

Zwei Ereignisse machten danach auch aus Richard Strauss’ „Ein Heldenleben“ ein faszinierendes Selbstbildnis: Zum einen, wie Konzertmeister Guy Braunstein jenes Violinsolo hinlegte, das „die Gefährtin“ des Helden symbolisiert: mit einem Ernst und einer bedingungslosen Intensität, dass selbst das knarrende Holz seines Stuhls mit der Geige mitzuweinen schien. Zum anderen, wie Simon Rattle mitten in der kurzen Generalpause vor dem orgastischen Höhepunkt im Siegestaumel des Helden plötzlich vollkommen entspannt die Hände fallen ließ, als habe er gerade eine Probe beendet. Um eine Sekunde später dann mit der vollen Intensität weiterzudirigieren (noch einmal heute, 20 Uhr).

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