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Kultur: Lamm und Lover

Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Die Menschheit, lehrt uns Sanda Zeigs Spielfilm, wäre tolerant, friedlich und glücklich, hätten lesbische Frauen das Sagen.

Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Die Menschheit, lehrt uns Sanda Zeigs Spielfilm, wäre tolerant, friedlich und glücklich, hätten lesbische Frauen das Sagen. Einzig die Männer zerstören die Welt durch ihre gewalttätigen Besitzansprüche.

Girl meets girl im Nachtclub. Die Malerin, Ich-Erzählerin des Films, ist verliebt, die begehrte Nachtclubsängerin abenteuerlustig. Zum ersten Mal geht sie mit einer Frau ins Bett, "nur für eine Nacht". Natürlich bleibt es nicht bei der einen Nacht. Die Leidenschaft wächst, man trifft sich weiter, bis es dem bösen Barbesitzer nicht mehr gefällt. Die Sängerin, von ihrer Geliebten Agnus Dei, Lamm Gottes, genannt, fand es bisher ganz in Ordnung, für ihre Karriere Sex einzusetzen. Bislang hatte auch ihr Boss, von den Frauen "The Man" genannt, keine Probleme mit dieser Philosophie.

Nun aber gerät die Sängerin unter Druck, weil sie mit der kurzhaarigen, die Männerwelt nervenden Lesbe in Jackett und weißem Hemd eine Beziehung hat. Doch Agnus Dei entpuppt sich als mutige Frau, sie läßt sich nicht zwingen. Nach einem zähen Kampf darf sich das Lamm Gottes endlich opfern: Es erschießt The Man und sich.

Nein, gut ist diese Geschichte nicht. Das Opfer steht von Anbeginn fest, Geschäftsleute im Pariser Nachtbar-Milieu sehen selbstverständlich nicht tatenlos zu, wenn ihnen jemand die Mädchen verdirbt, und einander verfallene Menschen pflegen nicht auf halbem Weg stehen zu bleiben. Filmisch umgesetzt wird die Geschichte mit klaren szenischen Vorgaben. Muster 1: Schritte der Erzählerin, Pflaster und Wasser, nächtlich blau. Muster 2: Das Liebespaar in Bett oder Badewanne, strahlend hell. Muster 3: Die Arbeits-Gegenwelten. Mal der schummrig-bunte Nachtclub, mal das hell-bunte Künstleratelier. Die Szenenabfolge ist so vorhersehbar, dass man Wetten auf die Schnitte abgeben könnte.

Die im Film eingesetzte Sprache ist überschaubar knapp - verständlich, wenn man meint, wahre Veständigung sei wortlos. "Sie hat diesen gewissen Blick in den Augen", sagt der Barkeeper über die von der Sängerin "Lover" genannte Erzählerin. Kein Zweifel, hier geht es um Dramatik. Und so gesteht "Lover" auch ihrer schwarzen Freundin Bu Savé: "Bei ihr höre ich auf zu existieren." Bu Savé, als Komponistin die dritte Künstlerin im Bunde der drei Frauen, ist die Einzige, die das Privileg eines Namens hat. Kurz vor dem düsteren Ende der Geschichte wandert "Lover" lange allein durch Paris und kommentiert: "Ich gehe, kein Vogel, keine Sonne, kein Licht, keine Wolken." Getoppt werden diese Worte nur noch vom Aushauch der sterbenden Agnus Dei: "Hat er dir weh getan, Lover?"

Der Verleih kündigt "The Girl" als "heißblütige lesbische Affäre" an, ja, als "Sex um des Sexes willen". Von "unverschämten Bildern" und "eigener Geilheit" ist die Rede. Zu sehen ist eine rührselige, plakative Geschichte, die in schönen Bildern und simpler Dramaturgie starke Gefühle auszudrücken versucht. Nur eins mag man dem Film zugute halten: Die so lange unterdrückte lesbische Filmszene kann sich wahrscheinlich nicht satt sehen - an Großaufnahmen weiblicher Liebesakte.

Inka M. Lehmann

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