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Fritz Kalkbrenner am Freitag in der Columbiahalle.

© Davids/Boillot

Fritz Kalkbrenner in der Columbiahalle: Lass dich gehen!

"I'm looking for ways": Fritz Kalkbrenner mixt in der Columbiahalle, die Menge ruft "Yesss".

„Ich bin Fritz. Ich fang jetzt an.“ Pünktlich, ohne sich lange bitten zu lassen, steht der jüngere Kalkbrenner-Bruder in der Columbiahalle an den Turntables und legt los. Hinter sich an der Wand flimmert sein Gesicht auf kleinen Monitoren, eingerahmt von grünlichem Licht. Orangene Laserstrahlen ragen weit ins Publikum. Die ersten seiner Stücke gehen gut nach vorne, mit treibendem Bass und ohne Vocals. Ein paar Zuschauer wippen sofort im Takt, lassen sich mitnehmen.

Es ist nicht so, dass Kalkbrenner Platten auflegt. Er steht an einem überhöhten Tisch, Rechner und Mischpult vor sich, und trägt ein Headset-Mikro – für die Tracks, in denen er live singt, und die so typisch für ihn sind wie die Handclap-Geräusche. „Wer sie nicht kennt, ich helfe bei den Texten“, sagt er vorab. „Under a void sky, I'm laying myself down. Under a void sky, I'm coming around“ ertönt es. Der neueste Track aus dem neuen Album „Ways over Water“.

Mit seiner markanten Stimme, die in eine Soulband passen würde, zeigt Kalkbrenner, was das heißt: „Pop-Techno“. Elektronische Musik, jenseits von Berghain und Watergate, die sich auch Pärchen und Familien anhören. Wobei: Ein lyrisches Ich, das versucht mit der Tatsache klar zu kommen, dass es unter einem leeren Himmel liegt? Doch ein bisschen trübsinnig für Feierei und Ekstase. In Begleitung seiner Beats schafft Kalkbrenner allerdings eine Musik, die sich auflehnt – gegen die Traurigkeit des Lebens. Kopf hoch, geht schon. Lass dich gehen. Tanz!

Richtig Stimmung schafft er mit dieser Kombination zum ersten Mal im letzten Lied „Back home“. „Yesss“ ist aus der Menge zu hören, „geil“ und „jawoll“. Wieder besteht der Refrain mit „I'm looking for ways over water, I'm looking for ways back home“ aus simplen Wiederholungen und schnellen Ohrwürmern. Wieder schwingt ein Gefühl von Sehnsucht mit.

Hinter Kalkbrenners Rücken sind derweil Mitschnitte vergangener Konzerte zu sehen, die Laserfarben wechseln mal zu rot, mal zu blau, und immer wieder flackern den Zuschauern grelle Lichter entgegen, gleich riesiger Kamerablitze. Geblendet schließen manche die Augen oder schauen zu Boden. Als wäre dies eine Antwort auf die Handy-Displays, die überall leuchten.

Hier, in Berlin, zu spielen, an zwei ausverkauften Abenden hintereinander, ist für Kalkbrenner etwas Besonderes. Er ist in Ost-Berlin aufgewachsen, feierte Ende der Neunziger viel, im alten E-Werk, dem alten Tresor, im Ostgut und Suicide Circus. Er flog von der Schule, verlor sich, bastelte aber immer an Beats. Allein oder mit seinem Bruder Paul.

Diese Brüder-Geschichte. 2008 wurde Paul Kalkbrenner schließlich mit dem Film „Berlin Calling“ bekannt, 2009 mit der ausgekoppelten Single „Sky and Sand“ berühmt. Es wurde zu einem Hit, einer Hymne, allerdings gesungen von Fritz. Und auch an diesem Abend braucht es nur wenige Sekunden, bis die Zuschauer den Song erkennen und ausrasten. Sie schließen die Augen, bewegen sich im Takt, singen mit, machen sich die Botschaft zu eigen: „As long as we are flyin', all this world ain't got no end.“ Es ist der Höhepunkt des Abends, ob gewollt oder nicht. Die letzten Stücke, sie hallen nur noch nach.

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