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Der mexikanische Schriftsteller Juan Pablo Villalobos, 1973 im mexikanischen Guadalajara geboren, lebt derzeit in Barcelona.

© Ana Schulz

Mexikanischer Autor Juan Pablo Villalobos: "Lasst uns die Mauer bauen. Und wir Mexikaner bezahlen"

Trump will eine Mauer an der Grenze zu Mexiko? Lasst sie uns bauen. Als Touristenattraktion, mit Museen über Rassismus und Imperialismus daneben. Ein Gastbeitrag von Juan Pablo Villalobos.

Lasst uns die Mauer bauen. Und einverstanden, wir werden dafür bezahlen, wir Mexikaner. Aber wir werden sie selbst bauen, und wir werden alle zwanzig Kilometer eine Hilfsstation einrichten. Eine Notunterkunft mit Ärzten, Essen, Wasser, Betten, in denen die Menschen sich ausruhen und Kraft schöpfen können. Und Englischkurse. Und das Wichtigste: Wir werden auf der gesamten Länge der Mauer viele Türen einbauen, tausende Türen, die man nur von einer Seite aus öffnen kann: von unserer.

Lasst uns die Mauer bauen. Und einverstanden, wir werden dafür bezahlen, wir Mexikaner. Aber zuerst werden wir einen Baukredit bei der US-amerikanischen Regierung beantragen. Oder bei der Weltbank. Oder noch besser, beim Internationalen Währungsfonds. Es wird Ausschreibungen geben: für die Projektplanung, für den Bau und für den Betrieb der Mauer, wenn sie fertig ist.

Eine Hecke aus Marihuana-Pflanzen

Wir werden natürlich nur unsere Freunde auffordern, sich an den Ausschreibungen zu beteiligen. Und den allerbesten unserer Freunde werden wir den Zuschlag geben. Die, die die Mauer planen sollen, werden ihre Fristen immer wieder überschreiten, um Jahre. (Sie sind als Architekten bestenfalls mittelmäßig, aber sie sind eben unsere engsten Freunde.) Also wird der Bau erst nach jahrelanger Verzögerung beginnen. Und dann wird es Probleme mit den Baugenehmigungen geben. Und Probleme mit den Lieferanten. Und Streiks der Arbeiter.

Wenn der erste Abschnitt gebaut ist, werden zwei Monate später die ersten Risse und feuchten Stellen auftauchen, weswegen der Weiterbau unterbrochen werden muss. Die Jahre werden kommen und gehen, und mit ein bisschen Glück werden auch die US-Präsidenten kommen und gehen, bis irgendeiner antritt, der kein Interesse daran hat, die Mauer zu bauen. Noch besser: bis einer kommt, der einen Baustopp anordnet. (Natürlich werden wir den Kredit nicht zurückzahlen).

Lasst uns die Mauer bauen. Und einverstanden, wir werden dafür bezahlen, wir Mexikaner. Eine grüne, ökologische Mauer. Genauer, eine Hecke, die aus Marihuana-Pflanzen besteht. Als erstes werden wir natürlich Marihuana als Mauerbaumaterial legalisieren. Und dann werden wir sehen, wie sich die Wanderungsbewegungen umkehren: Menschen aus dem Norden werden nun gen Süden strömen, um unsere Mauer aufzurauchen. Entgegen allen Erwartungen werden wir sie nicht verhaften. Im Gegenteil. Wir werden uns alle an der Mauer treffen, und zwischen unseren beiden Völkern wird eine neue Ära der Freundschaft und Brüderlichkeit anbrechen.

Eine Mauer, die nur kluge Menschen sehen können

Lasst uns die Mauer bauen. Und einverstanden, wir werden sie bezahlen, wir Mexikaner. Aber lasst sie uns als eine Touristenattraktion bauen, als Freizeitpark. Wir werden sie „die Mauer der Schande“ nennen oder so ähnlich. Direkt daneben werden wir Museen über Rassismus, Imperialismus, Diskriminierung bauen. Und Aussichtsplattformen, von denen man aus sicherer Entfernung beobachten kann, wie es auf der anderen Seite der Mauer aussieht. Aus der ganzen Welt werden Touristen kommen, aus Japan, China, Deutschland, Skandinavien. Unsere Mauer wird ein großes Geschäft sein und tausende Arbeitsplätze schaffen. Arbeitsplätze für Migranten natürlich, die die Mauer nicht passieren können.

Lasst uns die Mauer bauen. Und einverstanden, wir werden dafür bezahlen, wir Mexikaner. Eine Mauer, so unsichtbar wie des Kaisers neue Kleider. Eine Mauer, die nur kluge Menschen sehen können. Wir Mexikaner werden sie mit unsichtbaren Ziegelsteinen bauen, mit unsichtbarem Stahl. Befreit von materiellen Beschränkungen, werden wir sie ganz, ganz hoch bauen können – tausend Meter hoch. Und ganz dick: zwei Kilometer dick. Am Tag der Einweihung werden wir zum US-Präsidenten sagen: „Hier ist Ihre Mauer. Sie ist sehr hoch und sehr dick, aber nur kluge Menschen können sie sehen.“ Ich bin sicher, der Präsident wird begeistert sein.

Aus dem Spanischen von Dorothee Nolte.

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