zum Hauptinhalt

Kultur: Lauter Lieblingsfilme

Jubiläum! Seit 20 Jahren ist das fsk-Kino Berlins erste Adresse für cineastische Entdeckungen

Keine Ansprachen, kein Sekt, kein Feuerwerk. Es gibt noch nicht mal ein besonderes Abendprogramm. Das große Bohei ist Barbara und Christian Suhrens Sache nicht. Obwohl das von dem Geschwisterpaar und vier Mitstreitern betriebene fsk-Kino heute sein 20-jähriges Jubiläum feiert. „Das ist eine Mentalitätsfrage“, sagt Christian beim Gespräch im Kinoflur und guckt freundlich hinter seinen dicken Brillengläsern hervor. Barbara sitzt ihm gegenüber auf der Heizung, sie hat Wollsocken an, ohne Schuhe. Diese Mentalität, sich selbst weniger wichtig zu nehmen als die Sache, für die man sich einsetzt, scheint immer wieder durch, wenn die Suhrens die Geschichte ihres Kinos erzählen.

Von Anfang an ging es dem Betreiberkollektiv nicht um Events, sondern um Filme. Genauer: um besondere Filme. „Ausgrabungen machen“, diese Wendung benutzt die 50-jährige Barbara Suhren immer wieder. Ihr Schwerpunkt liegt auf französischem, japanischem und chinesischem Kino, amerikanischen und deutschen Indie-Produktionen. Die Berliner Schule um Regisseure wie Angela Schanelec oder Christian Petzold haben das fsk und der angeschlossene Verleih Peripher bekannt gemacht. Gerade joggt Thomas Wieners hinter Christians Rücken den Flur entlang zum Telefon. Wieners ist für die Verleih-Dispo zuständig, die Filmrolle mit Gus van Sants Teenagerdrama „Paranoid Park“ hängt gerade irgendwo auf dem Postweg fest.

Der Peripher-Verleih feierte 2007 sein Zehnjähriges. Naja, natürlich wurde auch hier nicht groß gefeiert. Zum 20. Geburtstag leistet sich das fsk-Team zumindest eine kleine Ausstellung. An der Flurwand und in einer Vitrine werden Fotos aus zwei Jahrzehnten zu sehen sein, Programmhefte, Eintrittskarten, Aufkleber und Werbefeuerzeuge. Ein knackiger Slogan stand da nie drauf.

Barbara Suhren kam 1979 aus Duisburg nach Berlin, um Architektur zu studieren. Ihr vier Jahre jüngerer Bruder zog einige Zeit später mit dem Physik-Vordiplom in der Tasche nach, „um nicht mehr zu studieren“. Barbara entdeckte ihre Liebe zum Kinomachen im Filmclub „OmU e. V.“ in der Kurfürstenstraße. Als die Kollegen dort keine Lust mehr auf Taxifahren oder Uni hatten, wurde ein Kollektiv gebildet – und am 9. September 1988 das fsk in der Wiener Straße 20 eröffnet, eine Kneipe mit Hinterzimmer, in dem das meist studentische Publikum auf 60 echten Lufthansasitzen saß. Fsk, Flugzeugsesselkino. Die schönste Abkürzungserklärung unter anderen. Als „freiwillige Selbstkontrolle“ kann sie sich natürlich auch auf die Kollektivstruktur beziehen. Und die gleichnamige Punkband fanden die Suhrens auch super.

Heute findet man unter der Adresse die Rockabilly-Bar „Wild at Heart“. Damals aber liefen auf der großen Leinwand Filme von Achternbusch und Klopfenstein. Es waren andere Zeiten. „Wenn man einem Film was Gutes tun wollte, hat man ihn um 23 Uhr gezeigt“, sagt Christian. Selbst die Ein-Uhr-Vorstellungen seien manchmal ausverkauft gewesen. „Heute ist das völlig undenkbar.“ Vielleicht, weil die Studenten morgens früher aufstehen.

Eigentlich sollte die Kneipe das Kino finanzieren. „Es war nur leider umgekehrt“, lacht Christian. Also habe man neue Räume gesucht. Barbara holt ein paar Schwarzweiß-Bilder aus ihrem rumpeligen Mini-Büro. „Wir haben alles selbst gemacht.“ Schließlich ist sie Architektin. In ein altes Möbelgeschäft am Oranienplatz wurden zwei Säle eingebaut und die zugehörigen Projektorräume. Im Freundeskreis gab es Leute mit Ahnung von Elektrik. Leute, die die Lüftungsanlage installierten. Und Leute mit Muckis. Barbara zählt sie alle mit Namen auf. Sie lacht. „Die Männer haben damals ganz schön abgenommen.“

Der erste Film am neuen Ort lief kurz vor Weihnachten 1994. Es war keine Zeit gewesen, ein Programm zusammenzustellen, also hieß die Eröffnungsreihe schlicht „Lieblingsfilme“. Jeder steuerte ein paar persönliche Favoriten bei, „Drei Farben Rot“ von Krzysztof Kieslowski oder „Down by Law“ von Jim Jarmusch. Dazu kamen Preziosen wie der Episodenfilm „Atlantic Rhapsody“ der faröischen Regisseurin Katrin Ottarsdóttir.

Das Konzept von damals bringt die Arbeitsweise und den Anspruch des Teams auf den Punkt. Eigentlich haben sie ja 20 Jahre lang nur eins gemacht: Lieblingsfilme gezeigt. Ausgrabungen. Und so ist das fsk auch zu einem Lieblingskino geworden. Auch wegen seines Markenzeichens, dem Zimmerbrunnen in Saal eins, der vor jeder Vorführung anspringt. Und wegen der lustigen Idee, durch eine im Projektorraum zu Saal zwei angebrachten Kamera das Einlegen der Filmrolle live zu übertragen.

Ihre Jubiläumsfreude, sagt Barbara Suhren, werde allerdings „davon überlagert, dass es im Moment ein bisschen schwierig ist“. Zu viele Filme, zu wenig Zuschauer. „Die Experimentierfreudigkeit war früher größer.“ Was nicht massiv beworben wird, werde auch kaum angeschaut. Bisweilen zeigt das fsk zwar noch einen Klassiker neben einem neuen Film eines Kultregisseurs. Eigentlich aber, das sagen die Suhrens ganz klar, funktioniere das nicht. Der Markt drehe sich nur noch um Neuerscheinungen. Darum suche man seine Lieblingsfilme nun eben hauptsächlich unter den kleinen, feinen neuen Produktionen.

Und die nächsten 20 Jahre? Erstmal gehe es einfach weiter, sagt Christian. Aber in den nächsten Jahren steht dem Kino einiges bevor. Digitalisierung der Vorführapparate, Umstrukturierung des Vertriebs, zunehmende Polarisierung zwischen Blockbustern und Indie-Filmen. „Beim 25. Jubiläum wird sich definitiv was verändert haben.“ Da können nur die Zuschauer helfen. Im aktuellen Programmheft wünscht sich das fsk zum Geburtstag ein paar Hundert zusätzliche Filmfans, „die sich über die Filme, die nur bei uns laufen, freuen. Damit wir wissen, dass wir gebraucht werden.“

Programm heute: 18 Uhr: „Nue Propriété“. 18.30 Uhr: „Back to Africa“. 20 und 21.45 Uhr: „Sparrow“. 20.30 und 22.30 Uhr: „Chanson der Liebe“. fsk Kino, Segitzdamm 2, Kreuzberg. www.fsk-kino.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false