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Viele Besucher gehen am 17.03.2016 durch die Glashalle über die Buchmesse in Leipzig (Sachsen). Zur Leipziger Buchmesse werden bis 20. März rund 2.000 Aussteller, über 250.000 Besucher und mehr als 2.500 Journalisten erwartet. Gleichzeitig findet die 25. Ausgabe des Lesefests "Leipzig liest!" mit Lesungen auf dem Messegelände sowie im gesamten Stadtgebiet statt.

© dpa

Leipziger Buchmesse: Heinrich August Winkler - oder lieber Mangas?

Ob Nachwuchsschriftstellerin, Historiker oder Klimaforscher: Die Leipziger Buchmesse macht sie vorübergehend zu Stars. Ein Rundgang am ersten Messetag.

Als sogenannter Fachbesucher fragt man sich an diesem frühen Messedonnerstag dann und wann, vor allem, wenn gerade in den Gängen der Glashalle mal wieder so gar kein Fortkommen ist, was es eigentlich für einen Zweck hat, schon am ersten Tag der Leipziger Buchmesse Hunderte von Schulklassen durch die Hallen zu schleusen.

Klar, das ist der Lesenachwuchs, aber er tummelt sich eben doch am liebsten in den Gängen oder bei der Manga Comic Convention und nicht  vor den Bühnen der Zeitungen, Fernseh- und Radiosender. Nicht beim Historiker und frisch gekürten Europäischen Verständigungspreisträger Heinrich August Winkler, nicht bei den Kandidaten des Preises der Leipziger Buchmesse, die traditionell Stunden vor der Verleihung in Halle 4 vorgestellt und befragt werden. 

Lustigerweise streut die Autorin immer wieder ein "keine Ahnung" ein

Und eben auch nicht bei der jungen FAS-Journalistin und Schriftstellerin Antonia Baum, die auf dem Blauen Sofa sitzt und Fragen zu ihrem Buch "Tony Soprano stirbt nicht" beantwortet. Es erzählt von dem schweren Motorradunfall ihres Vaters, wie es ist im Krankenhaus zu sitzen und auf das Beste in so einer schweren Situation zu hoffen.

Das Gespräch das der Literarische-Quartett-Moderator Volker Weidermann und Baum führen, pendelt zwischen Literarischem und Privatem, zwischen Ingeborg Bachmann und Joan Didion als Vorbilder Baums ("Didion ist ja auch so glamourös!") und ihren Schuldgefühlen, so etwas Privates zum Stoff eines Buches gemacht haben, ihrem "Vampirismus". Baum streut lustigerweise immer ein "keine Ahnung" in ihre Antworten, auch ein "Wissen Sie" am Ende ihrer Sätze, so wie US-Rapper ihr "you know what I' saying", oder ein "bla" oder "so", und das ist manchmal schön erfrischend, weist aber gleichfalls daraufhin, dass so eine halbstündige Fragesession ganz schön lang sein kann.

Der komplette Gegenentwurf dazu, jetzt mal rein formal betrachtet, ist Heinrich August Winklers Auftritt im Forum Europa, der jede Frage zu einem langen Vortrag nutzt, sechs Fragen in knapp einer Stunde und sechs Vorträge. Immerhin ist das viel ergiebiger als seine etwas flaue, sich nach vielerlei Seiten absichernde Dankesrede am Abend zuvor. Da hört man Winkler Kluges zu den praktisch aufgegeben EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, zum durchaus prekären Nationalismus in dem Land, zur Problematik der aktuellen Verhandlungen mit Erdogan wegen der Flüchtlingskrise, und auch zur Situation in China und dortigen Freiheitsbestrebungen: "Die kommunistische Partei sollte sich ihrer Machtposition nicht zu sicher sein." 

Es mangelt zwar an Glam-Acts, aber die Autoren versuchen das aufzuwiegen

Erstaunlich ist, wie Autorinnen wie Baum oder ein Historiker wie Winkler zu Stars der Messe werden, auch mangels anderer gewissermaßen Glam-Acts. Es ist sehr voll bei ihren Veranstaltungen, auch ohne Schüler- und Schülerinnenmassen, und die Leipziger Buchmesse zeigt sich in solchen Fällen von ihrer stärksten Seite, es macht ihre Wirkmacht aus, selbst Wissenschaftler zu Stars zu machen. Dass das mit der Performance nicht immer so hinhaut, demonstrieren dann auf dem Sachbuchpodium für den Preis der Leipziger Buchmesse der Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber und der Marbacher Archiv-Direktor Ulrich Raulff.

Schellnhuber wirkt arg selbstgefällig, als er erzählt, dass er immer zwischen sechs und zehn Uhr vor der eigentlichen Arbeit sein Buch "Selbstverbrennung" über das fatale Zusammenspiel von Mensch, Klima und Kohlenstoff geschrieben und er gar geweint habe, als sich "das Literarische" seines Textes bemächtigt hätte. Urps! Und Raulff, der ein Buch über "das letzte Jahrhundert" geschrieben hat, versucht es zunächst mit zwei verunglückten Witzchen. Nämlich dass es von Stefan George (über dessen Kreis er auch schon ein Buch verfasst hat) nicht weit zu St. Georg (?) sei - und er früher zumeist unter den Pferden gelegen habe. Meint wohl: Er konnte nicht gut reiten. Aber wer weiß: Am Ende lacht Raulff am lautesten, wenn er nämlich abermals den Sachbuchpreis gewinnt.

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