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Kultur: Lenkrad auf Herzhöhe

Wie der Vater, so der Sohn? Josef und Michael Sailstorfer beweisen in der Galerie König das Gegenteil.

Wohin die Reise führt, das ist selbst den Beteiligten nicht ganz klar. Macht nichts, es geht weiter – mit jeder Generation. Die Skulpturen von Josef Sailstorfer stehen stabil und aufrecht da, fünf Stelen aus Granit, Muschelkalk und Marmor im quadratischen Raum der Galerie verteilt.

Für das Vage, das unsichere Moment sorgt Michael Sailstorfer, der Sohn. Vier Lenkräder (je 24 000 Euro), die sich synchron drehen, hat er in die vier Wände montiert – eine Fahrt von Berlin in die Uckermark zum Landsitz des Künstlers, rechtsrum, links, geradeaus, egal. Die Fahrt führt ins Weite, das Nichts und zugleich gegen die Wand. Sailstorfer wendet den klassischen Freiheitsbegriff eines Autofahrers von Tempo, Luft, vorbeisausenden Landschaften ins Gegenteil. Zugleich spielt er mit dem Sehnsuchtsmotiv. Die Lenker stammen aus den Achtzigern, als Sailstorfer noch ein kleiner Bua im Bayerischen war, die große Welt weit weg.

Aus dieser Zeit stammen auch die Skulpturen des Vaters, der von Haus aus Steinmetz ist und wie später dann der Sohn an der Münchner Akademie der Künste Bildhauerei studierte. In der Stammgalerie des Sohnes wirken seine Werke wie aus der Zeit gefallen, kurios. Monolithe Stelen, die Titel wie „Stimmgabel“ oder „Herzhöhe“ tragen, wären dort sonst wohl kaum zu sehen (11 000 -14 000 Euro). Die Spannung ergibt sich aus dem Dialog zwischen dem kolossal erfolgreichen Sohn, der erst zuletzt mit dem Vattenfall-Preis sowie dem NRW-Kunstpreis „Neuer Westen“ ausgezeichnet wurde, und dem weit weniger bekannten Vater.

Doch genau mit dem Moment der Herkunft spielte Michael Sailstorfer immer schon, etwa bei der „Haltestelle Großkatzbach“, die heute vor dem Haus am Waldsee steht: ein Wartehäuschen seiner bayerischen Heimat, das der Künstler unter dem Titel „Wohnen mit Verkehrsanbindung“ mit Bett, Waschbecken und Campingtoilette versah. Zwei Skulpturbegriffe stoßen aufeinander, der klassische Bildhauer und der Konzeptualist, eine minimalistische Formensprache und ein erzählerischer Ansatz. Die Ausstellung wertet nicht, höchstens ist eine Verbeugung des Jüngeren gegenüber dem Älteren zu erkennen, dem Sailstorfer junior die Hauptfläche überlässt.

Nicht einmal ein Jahr liegt Asta Grötings Ausstellung „Familienwerkbänke“ in der Galerie Carlier/Gebauer zurück. Damals zeigte die Berliner Bildhauerin 14 Arbeitstische, an denen die Väter oder Mütter ihr bekannter Künstler einst arbeiteten. Auch die hölzerne Werkbank von Josef Sailstorfer war darunter, grob, schwer, archaisch, abgenutzt. Der Besucher war sogleich versucht, darin die Spuren einer künstlerischen Vita herauszulesen, bis hin zum Einfluss auf den Sohn. Vergebens, es blieb ein Holzmöbel und doch eindrucksvoll. Mit der Doppelausstellung bei Johann König setzt sich die Spurensuche noch einmal fort. Wirklich fündig wird man auch hier nicht. Welch ein Glück für Vater wie Sohn. Die Fahrt ins Ungewisse setzt sich fort. Nicola Kuhn

Galerie Johann König, Dessauer Str. 6-7; bis 11. Februar, Di-Sa 11-18 Uhr.

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