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© ddp

Leonardo DiCaprio: "Wie geht’s? Alles klar"

Martin Scorsese, "Titanic" und meine Großmutter: eine Begegnung mit Leonardo DiCaprio.

„Ach, ich bin doch total ruhig geworden. Sie hätten mich mal früher kennenlernen sollen, ich hatte so unglaublich viel Energie, vor allem, als ich ein Kind war. Ich weiß gar nicht, wie meine Mutter es mit mir ausgehalten hat“. Da sitzt es, das einstige Wunderkind der Kinowelt, zurückhaltend in hellblauem Hemd und grauem Anzug, sehr businesslike, und ist entschieden ruhiger geworden, beherrscht, ernsthaft, professionell. Die Pressefrau hätte gar nicht zu Beginn streng warnen müssen: „Keine persönlichen Fragen, sonst ist das Interview gelaufen, und die der nächsten Gruppen auch.“ Leonardo DiCaprio ist Meister der Situation genug, auch zwölf Journalisten im Gruppeninterview in Schach zu halten und sicherzustellen, dass über nichts gesprochen wird als über Martin Scorsese und seinen neuen Film „Shutter Island“.

Wie er auch später bei der Pressekonferenz zu „Shutter Island“ der heimliche Strippenzieher und Regisseur auf dem Podium sein wird, die Antworten übernimmt, wenn Martin Scorsese zögert oder DiCaprios Film-Partnerin Michelle Williams angesichts allzu direkter Fragen spürbar ratlos ist. Er würde es nicht gern hören und sagt es auch nicht gern, weil es so nach Armeedienst klingt, aber er ist erwachsen geworden, der kleine Arnie Grape, der hübsche Romeo und Titanic-Jack, der heute lieber über Umweltschutz spricht und über die filmhistorischen Studien, die er mit Scorsese unternahm. Nicht umsonst ist „Aviator“, die Lebensgeschichte des Howard Hughes, Leonardos Herzensprojekt, über das er noch heute mit mehr Begeisterung spricht als über alle anderen Filme zusammen.

Und doch ist er, wie vor zehn Jahren, als er sehr jung, sehr öffentlichkeitsscheu, mit „The Beach“ hier war, der Superstar der diesjährigen Berlinale. Tumultartige Szenen vor der Pressekonferenz, kreischende Fans vor der Tür, die Leonardo mit ein paar deutschen Brocken – „Wie geht’s? Alles klar. Danke schön“ und „Ich bin ein Berliner“ abspeist. Um dann, im Interview, zu erzählen, wie er mit seiner Familie, seinen deutschen Großeltern, wiederholt in Berlin war, vor dem Mauerfall und nach dem Mauerfall wieder, und wie er hier so viel gelernt habe über deutsche Geschichte. Dass DiCaprio als Teddy Daniels in „Shutter Island“ dem alten Psychologen Dr. Naehring (Max von Sydow) auf Deutsch seine Vermutung, er sei ein Nazi, ins Gesicht sagt – auch das war Leonardos Idee.

Wie gut Scorsese und er aufeinander eingespielt sind, bei ihrem inzwischen vierten Film, blitzt kurz auf, wenn Scorsese die Regisseure aufzählt, die er verehrt, von Griffith über Buñuel bis Preminger, und dass er deren Filme mit Leonardo noch einmal neu gesehen hat, und Leonardo daraufhin entgegnet, wie er von Kind auf Scorseses Filme geliebt hat. Dass „Taxi Driver“ der erste Film gewesen war, von dessen Hauptfigur er sich emotional verraten gefühlt hat – seine Rolle in „Shutter Island“ ist ein spätes Echo – und dann seinen Regisseur fragt: „Und ,Mean Streets’, wann war das?“ – „1973.“ – „Ach, ich bin erst 1974 geboren.“ Das klingt verdächtig nach Filmseminar. Warum auch nicht: Scorsese und Leonardos Vater sind auf die gleiche Grundschule in Little Italy, New York, gegangen, auch das kommt bei der Pressekonferenz heraus. Aber bitte nichts Persönliches fragen.

Ehrfurchtsvoll spricht DiCaprio beimInterview auch über die „Metropolis“-Rekonstruktion, deren Uraufführung er am Vorabend in Berlin miterlebt hat. Ein Pionier und Visionär des Kinos sei Fritz Lang gewesen, und wie er, Leonardo, es immer geliebt habe, mit ähnlichen Visionären zusammenzuarbeiten, ob Martin Scorsese oder James Cameron. Ja, in „Metropolis“ habe er sich an manchen Stellen geradezu an „Titanic“ erinnert gefühlt, an die Szenen, in denen die Passagiere der Dritten Klasse versuchen, sich vor dem Wasser an Deck zu retten. Wie selten und kostbar seien solche Filme, die eine neue Welt erschaffen. Und dass „Avatar“ gerade „Titanic“ überrundet hat, das macht dann eigentlich auch nichts mehr.

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