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Sie sind der Meinung, das ist Spitze!

© Sascha Vaughan

Les Ballets Trockadero in Berlin: Die Herren Damen lassen bitten

Männer in Tutus: „Les Ballets Trockadero de Monte Carlo“ gastieren in der Komischen Oper. Eine Spitzenklöppelei in Slapstick-Manier.

Von Sandra Luzina

„Die Ballerinen haben sehr gute Laune heute Abend“, verkündet der Ansager mit dem lustigen russischen Akzent, als komme er gerade vom Käfig der Tigerinnen. Die Conférence gehört zu jeder Aufführung bei Les Ballets Trockadero de Monte Carlo dazu – doch Nadia Doumiafeyva, Nina Immobilashvili und Yakaterina Verbosovich sind an diesem Abend in der Komischen Oper wirklich bestens aufgelegt.

Die wohl schrillste Tanzcompany der Welt tritt bis Sonntag in Berlin auf, und wohl nicht zufällig fällt ihr Gastspiel auf das CSD-Wochenende. Die New Yorker Tanzkompanie ist ja vor 40 Jahren aus der Schwulenbewegung hervorgegangen. Die Trocks: Das sind Männer, die Tutus und Spitzenschuhe Größe 47 tragen. Die sich die Insignien der Ballerina aneignen, was natürlich zum Piepen ist, und die zugleich das Tanzen ernst nehmen. In der Komischen Oper werden die Trocks gleichermaßen von Homo-Paaren, älteren Damen und jungen Ballettfans bejubelt. Und auch die Berliner Russen amüsieren sich darüber, wie ihre glorreiche Balletttradition hier durch den Kakao gezogen wird.

Das Programm setzt überwiegend auf Bewährtes: Die Trocks haben sich ja die Juwelen des klassischen Repertoires für ihre schrägen Huldigungen ausgesucht. Den Auftakt macht natürlich „Schwanensee“. Nadia Doumiafeyva (Philip Martin-Nielson) verleiht der Schwanenkönigin Odette einen stählernen Charme. Die muss sich nicht nur mit dem Zauberer Rotbart herumplagen. Vladimir Legupski (Duane Gosa) als Prinz Siegfried sendet in seiner wirren Pantomime unverständliche Zeichen aus. Und der schmächtige Benno vergreift sich bei den Hebefiguren, sodass Odette mehrmals zu Boden kracht.

Auch "Der sterbende Schwan" wird zerrupft

Die ballettöse Spitzenklöppelei mündet immer wieder im Slapstick. Bei den Schwänen tanzt einer aus der Reihe, die antrainierte feminine Grazie wird durch kalkulierte faux pas oder durch den schieren Übermut der Ballerinen zerstört.

Auch das berühmteste Solo der Tanzgeschichte, „Der sterbende Schwan“, wird zerrupft. Lariska Dumbchenko (Raffaele Morra), eine Ballerina mit üppigem Brusthaar, verliert bei ihrem Geflatter und Getrippel die Federn ihres Tutus, und bald gehorcht ihr auch ihr Körper nicht mehr. Statt mit den Flügeln zu schlagen, schüttelt sie nur ihr Patschhändchen. Bei ihren letzten Zuckungen fordert sie mehr Applaus vom Publikum – und wird prompt belohnt.

Die Trocks mokieren sich auch darüber, wie Tänzer zu Athleten getrimmt werden. In dem Pas de deux aus „Spring Waters“, einem Pomp-Ballett aus der Sowjet-Ära von Assaf Messerer, hat Yvacheslav Legupski (Paolo Cervellera) als blonder Apoll nichts weiter zu tun, als seine Partnerin Alla Snizova (Carlos Hopuy) in die Höhe zu stemmen. Am Ende balanciert er sie auf einem Arm. Und zwar so gut, dass man schon fast die Anti-Doping-Agentur benachrichtigen möchte.

„Patterns in Space“ ist eine Parodie auf Merce Cunningham. Zwei John-Cage-Jünger am Rand der Bühne stehlen den drei Tänzern allerdings die Show, wenn sie mit Alltagsobjekten wie Schere und Papiertüte lärmen. Der Bierernst, mit dem die postmodernen Künstler ihre Experimente zelebrierten, wird hier gnadenlos verulkt.

„Don Quixote“ wird zum Triumph von Yakaterina Verbosovich (Chase Johnsey). Als Kiri begeistert sie durch ihr feuriges Bühnen-Temperament – und sie meistert auch den berühmten Fächertanz. Die Trocks geben den Schwänen ordentlich Zucker. Doch das tänzerische Niveau in der Truppe ist sehr unterschiedlich. Die Neuzugänge stimmen aber zuversichtlich, dass das Erfolgsrezept der Trocks weiter aufgeht: Comedy und Spitzentanz zu verbinden.

Komische Oper, bis 24. Juli

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