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Claude Guibal, Tangi Salaün:L’Egypte de Tahrir, Anatomie d’une révolution, Seuil, Paris 2011, in französischer Sprache, 16 Euro. Am 11.

Claude Guibal, Tangi Salaün:

L’Egypte de Tahrir, Anatomie d’une révolution, Seuil, Paris 2011, in französischer Sprache, 16 Euro.

Am 11. Februar wird Hosni Mubarak gestürzt. Am 29. März beenden die beiden französischen Journalisten Claude Guibal und Tangi Salaün das Manuskript für ein Buch über die Revolution in Ägypten. Damit ist ihr Buch eines der ersten auf dem Markt – doch es ist kein Schnellschuss, sondern eine hervorragende „Anatomie einer Revolution“ und wird zumindest von Journalistenkollegen nicht leicht zu überbieten sein. Denn Guibal und Salaün leben seit 14 Jahren als Korrespondenten von „Libération“ und dem „Figaro“ in Ägypten und gehören zu den besten Kennern der Gesellschaft. In einem ersten Teil zeichnen sie chronologisch die 18 Tage der Massenproteste auf dem Tahrir-Platz nach. Interessant ist ihre Beschreibung, wer wann die Bewegung gerettet hat. Als das Regime die Demonstranten am 2. Februar von Schlägertrupps und Kameltreibern angreifen ließ, waren es ausgerechnet die Muslimbrüder, gut organisiert und diszipliniert, die den Widerstand organisierten. Und als sich um den 5. Februar immer mehr das Gefühl breitmacht, nun habe das Regime ausreichend Zugeständnisse gemacht und der Protest müsse ein Ende haben, war es der Fernsehauftritt des Google-Marketingdirektors für die Arabische Welt, Wael Ghonim, der die Proteste neu anheizte. Er war gerade aus dem Gefängnis freigelassen worden und erfuhr erst jetzt, wie viele Menschen bei Demonstrationen getötet worden waren. Ghonim bricht vor laufenden Kameras in Tränen aus und muss das Studio verlassen. Dieser Auftritt hat die Ägypter elektrisiert und dazu geführt, dass am nächsten Tag Familien aus allen Landesteilen zum Tahrir-Platz marschierten. Damit war die Revolution unausweichlich geworden. Im zweiten Teil zeigen die Autoren die Vorgeschichte des Aufstandes auf, die Streiks in den Textilfabriken im Delta, die wachsende Internetszene, die Ermordung des Bloggers Khaled Said und die Fälschung der Wahlen 2010, einschneidende Ereignisse, die das Fass zum Überlaufen bringen sollten. Die Autoren arbeiten aber vor allem die Herausforderungen heraus, vor denen Ägypten nach der Revolution ebenso steht wie vorher. Denn die Kluft zwischen Muslimen und christlichen Kopten ist tief, trotz der Verbrüderung auf dem Tahrir-Platz. Armut, Korruption und mangelnde Bildung sind überwältigend. Ein anschauliches Buch, das tiefe und oft überraschende Einblicke in eine geschundene Gesellschaft gibt. Andrea Nüsse

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