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Kultur: Letzter Heldentenor

Meat Loaf stürzt sich mit seinem zehnten Album wieder in eine Rock’n’Roll-Materialschlacht

Von Jörg Wunder

Typen wie Meat Loaf dürfte es eigentlich gar nicht mehr geben. Auch wenn der 62-Jährige äußerlich kaum noch etwas gemein hat mit dem Berserker, der in den Siebzigern als verschwitzter Dreieinhalbzentner-Kugelblitz bis zur Erschöpfung über die Bühnen tobte, gehört Meat Loaf einer aussterbenden Gattung an. Der letzte Heldentenor des Rock singt noch immer jeden seiner Songs, als ginge es um Leben und Tod. Dazu passt bestens, dass sein zehntes Studioalbum mit einer Rahmenhandlung voll Pathos aufwarten kann: „Hang Cool Teddy Bear“ imaginiert sich in die letzten Gedanken eines verwundeten Soldaten, der im Sterben nicht sein Leben, sondern Visionen seiner verlorenen Zukunft vorbei ziehen sieht.

Musikalisch geht Meat Loaf gleich aufs Ganze. Nach einem Intro, dessen atonale Radikalität an den späten Scott Walker denken lässt, barmt Meat Loaf mit vor Inbrunst vibrierender Stimme: „I don’t want peace on earth / I just wanna go home.“ Der Opener „Peace on Earth“ entpuppt sich als Rock’n’Roll-Schweinsgalopp samt eingebremster Powerballade, nur echt mit prahlerischem Gitarrensolo und üppiger Streicherorchestrierung. Natürlich ist das unfassbarer Schwulst. Doch Meat Loaf seinen Hang zum Bombast vorzuwerfen, wäre so, als würde man sich beschweren, dass in den Filmen von Michael „Transformers“ Bay Sachen in die Luft fliegen.

Mit seinem Debütalbum „Bat out of Hell“ setzte der zuvor als Musiker, Filmschauspieler und Musicaldarsteller mäßig bekannte Michael Lee Aday alias Meat Loaf 1977 Maßstäbe. Das megalomane Gesamtkunstwerk mit seiner Übertreibung aller möglichen Rockklischees und Meat Loafs operettenhafter Vier-Oktaven-Stimme war derart over the top, dass die LP nur ein Totalflop oder Hit werden konnte. Trotz teilweise vernichtender Kritiken entwickelte sich „Bat out of Hell“ mit über 40 Millionen verkauften Exemplaren zu einer der erfolgreichsten Platten der Popgeschichte.

Der Triumph wurde möglich durch ein brillantes Team, das aus dem Songschreiber Jim Steinman, dem Produzenten Todd Rundgren und Bruce Springsteens Keyboarder Roy Bittan als wichtigstem Studiomusiker bestand. Wie sehr Meat Loaf von Zuträgern abhängig war, zeigte sich, als keins der Nachfolgealben annähernd so gut einschlug. Das gelang erst 1993, als sich die zerstrittenen Protagonisten wieder zusammen rauften und mit dem wenig originellen Sequel „Bat out of Hell II“ abermals einen Welterfolg landeten. Das war’s dann aber auch, der an der Grenze zur Selbstparodie operierende Nachklapp „Bat out of Hell III“ ging 2006 weitgehend unter.

Höchste Zeit also für einen Neustart. Und da ist der ernste Grundton von „Hang Cool Teddy Bear“ ein Fortschritt gegenüber den Fantasy-Szenarien vergangener Tage. Auch wenn die konzeptionelle Klammer gezwungen wirkt für die heterogenen Songs, deren Kern meist auf die branchenübliche „Boy-meets-Girl“- Thematik reduziert werden kann.

Als wichtigste Personalentscheidung erweist sich die Wahl des Produzenten. Rob Cavallo hat mit Green Days „American Idiot“ eine der meistverkauften Platten des letzten Jahrzehnts im Portfolio. Für Meat Loaf entwirft er ein Klangdesign von metallisch-kaltem Oberflächenglanz. Wenig originell, bis auf die Tatsache, dass hier ohne Rücksicht auf die Tragfähigkeit der Songs Powerakkorde, Bläsersätze, Backgroundchöre, Streichertutti und Schlagzeugbatterien zu einer monströsen Wall of Sound geschichtet werden, über den sich Meat Loafs Stimme dräuend emporschwingt.

Das hat seine Momente, etwa wenn „Living on the Outside“ zu einer Breitwand-Version von Springsteen-Rock gerät oder ein treffend „Song of Madness“ betiteltes Metal-Ungetüm so kraftstrotzend dahertorkelt, als warte es auf seinen Einsatz im Soundtrack zum nächsten Superhelden-Blockbuster. Blöd nur, dass sich AC/DC schon „Iron Man 2“ gekrallt haben.

Oft jedoch gerät die Materialschlacht zum ermüdenden Hörerlebnis, angereichert durch bizarre Gastauftritte. Wie wäre es mit einem siebenminütigen Duell der Gitarreneitelkeiten zwischen Brian May (Queen) und Steve Vai (Ex-Zappa)? Im Duett mit Rockspaßvogel Jack Black schwingt sich Meat Loaf gar zu einem Rock-Rap-Crossover auf, der nach den Beastie Boys vor knapp 25 Jahren klingt. Nur dass die sich niemals so sexistische Reime wie bei „Like a Rose“ erlaubt hätten.

Der beste Song stammt von Bon Jovi, obwohl er Meat Loaf auf den Leib geschneidert scheint: „Elvis in Vegas“ erzählt von einem 15-Jährigen, der über endlose Highways nach Las Vegas trampt und dort den King sieht – was sein Leben verändert. In dem ergreifend gesungenen Lied wird klar, dass der dicke Teenager mit Spitznamen Meat Loaf, der nach dem Tod seiner Mutter vor dem gewalttätigen Vater nach L.A. floh, nichts weniger ist als die Personifizierung des Amerikanischen Traums.

„Hang Cool Teddy Bear“ ist bei

Mercury/Universal erschienen.

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