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Der Graf posiert für sein "Gipfelstürmer"-Album.

© Eric Weiss

Letztes Unheilig-Album "Gipfelstürmer": Der Graf macht endlich Schluss

Der Graf macht ernst: "Gipfelstürmer" ist sein letztes Unheilig-Album. Toll, dass sich mal ein Popstar traut aufzuhören. Oder wird da schon am Comeback gebastelt? Eine Glosse

Bis zum Refrain des dritten Songs muss man warten, dann ist die gute Nachricht raus: „Es ist Zeit für uns zu gehn / Wir danken euch für all die Jahre / Auch wenn es wehtut, ist es Zeit für uns zu gehn, wenn es am schönsten ist“. Welch freudvolle Phrasen! Danke, Graf. Deine tiefe, wie immer pathossatte Stimme erfüllt unser Herz mit Wärme. Denn was du hier so unnachahmlich schnulzig ins Streicherbett legst, scheint nichts weniger als die gesungene Version des Abschiedsbriefes zu sein, den du kürzlich auf deiner Website veröffentlicht hast. Es ist dir also wirklich ernst damit, dass dein heute erscheinendes achtes Unheilig-Album „Gipfelstürmer“ dein letztes sein soll.

Respekt. Das ist eine herausragende Entscheidung in einer Zeit, in der Aufhören bei Pop- und Rockstars nicht mehr im Programm zu sein scheint. Stur und steif muss immer weitergemacht werden. Nie endende Tourneen, neue Alben, die zwar nichts Neues enthalten, aber trotzdem Charts und Medien dominieren. Aktuelles Schreckensbeispiel: AC/DC, die vor zwei Wochen trotz des demenzbedingten Ausstiegs von Gründungsmitglied Malcolm Young ihr komplett überflüssiges 15. Album „Rock Or Bust“ veröffentlichten. Alle Welt hätte verstanden, wenn die Australier gesagt hätten: Jetzt ziehen wir uns zurück. Das wäre stil- und würdevoll gewesen. Aber nein, sie drehen sich wie die Stones, Dylans, Ferrys & Co. weiter im Kreis.

Auf "Gipfelstürmer" gibt's echte Streicher, kein Synthie

Löblich hingegen die Einsicht des Grafen, der in seinem Abschiedsgruß an die Fangemeinde schreibt, dass er für das neue Album die besten Songs seines Lebens geschrieben habe und jetzt auf dem „lang ersehnten Gipfel“ angekommen sei. Sympathisch, wenn mal jemand zugibt, dass ihm nichts mehr einfällt. Natürlich hätte der Mann mit der Glatze, der sein Alter geheim hält, das schon früher bemerken können.

Im Prinzip nimmt er ja schon seit Jahren immer wieder dieselben zwei Songs auf: eine gefühlige Gothic-Schlager-Schnulze sowie ein an Rammstein orientiertes Rockstück. Auf „Gipfelstürmer“ dominieren sanfte Lieder wie „Alles hat seine Zeit“. In die härtere Kategorie fallen „Goldrausch“ und „Hinunter bis auf Eins“. Eine Neuerung gibt es allerdings: Weil diesmal echte Streicher statt Synthies zu hören sind, ist der Sound deutlich besser als auf den Vorgängerwerken.

Alles nur ein Trick des Grafen?

Bei aller Freude über die Weisheit des Grafen: Was, wenn das alles nur ein Trick ist? Ein perfider Langzeit-Marketingplan, bei dem die Fans doppelt abkassiert werden. Gar nicht so abwegig – die Popbranche hat ihre schlimmste Krise gerade erst hinter sich. Da muss man schon noch auf die Erlöse achten. Und wenn ein Erfolgsgarant wie der Graf plötzlich aufhören will, schaut Branchenprimus Universal sicher nicht einfach so zu, wie die Cash Cow sich auf ihre Privatweide zurückzieht. Zumal das Label viel in die Mainstreamisierung von Unheilig investiert hat. Wird da vielleicht im Hintergrund schon am großen Comeback gezimmert?

Erst mal steht jetzt die Abschiedstour an. Zwei Jahre wird sie dauern. Hoffentlich erinnert sich der Graf danach noch an sein Versprechen zu gehen.

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