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© Kerem Uzel/laif

Licht, Luft, Plexiglas: Erste türkische Moschee von Frau entworfen

Fast alles an der Sakirin-Moschee ist anders als in anderen Moscheen der Türkei. Die Wände bestehen nicht aus Stein, sondern fast vollständig aus Glas, das einfallende Licht wird durch ein eisernes Gitterwerk gefiltert. Die Mihrab, die in den meisten Moscheen meist schlichte Gebetsnische, die den Gläubigen die Richtung nach Mekka weist, setzt hier als torartiges Gebilde dramatische Akzente in Blau und Gold. Und das Design der Sakirin-Moschee stammt von einer Frau.

Mit ihren blonden Haaren, der Designerbrille und ihrer eleganten Kleidung sieht Zeynep Fadillioglu auf den ersten Blick nicht wie jemand aus, der sich der Gestaltung eines Sakralbaus widmet. Die 53-Jährige war in den vergangenen Jahren als preisgekrönte Designerin von schicken Bars und von Privathäusern reicher Leute bekannt geworden, ihr Mann führt mehrere teure Restaurants in Istanbul, die ebenfalls von Fadillioglu gestaltet wurden. Eine Zeitung bezeichnete das Gotteshaus als „High-Society-Moschee“.

Fadillioglu lächelt darüber. Sie sieht im Moscheeprojekt eine Chance, und die nimmt sie ernst. Als sie den Auftrag für den Bau erhielt, der Anfang Mai offiziell eröffnet werden soll, sei das „sehr aufregend, aber auch richtig Furcht einflößend“ gewesen, sagte sie. Bei der Gestaltung arbeitete die Innenarchitektin eng mit Islamwissenschaftlern zusammen. „Ich bin nicht hier, um den Islam neu zu definieren“, betonte Fadillioglu, die sich selbst als gläubige Muslimin bezeichnet. „Ich bin hier, um den ästhetischen Teil mit meiner eigenen Designsprache neu zu interpretieren.“

Und das hat sie in der Sakirin-Moschee gründlich getan, der ersten „femininen Moschee“ der Türkei, wie es in einem Zeitungsbericht hieß. Im lichtdurchfluteten Gebetsraum fällt der Blick auf die prächtige Mihrab und auf die Minbar, die Kanzel, von der aus der Imam seine Predigten hält. Auch hier löst sich Fadillioglu von der Tradition. In der Mehrzahl der türkischen Moscheen besteht die Minbar aus Holz oder Stein – in der Sakirin-Moschee ist sie nun eine geschwungene Treppe aus Acryl, verziert mit einem Blättermotiv. So kann ein moderner Islam aussehen. „Wenn ich nicht Muslimin wäre, hätte ich zwar immer noch das Design entwerfen können“, sagte Fadillioglu. „Aber es wäre viel weniger Gefühl darin gewesen.“

Tabubrüche, wohin man schaut. Die kreisförmigen Beleuchtungsleisten unter der Kuppel bestehen zum Teil aus Plexiglas und sind mit modernen Leuchtdioden besetzt. Die Glasscheiben im unteren Teil der Seitenwände tragen goldfarbene Verzierungen mit Koranmotiven. Blickfang des Brunnens in der Mitte des Moscheehofes ist eine stählerne und hochglanzpolierte Kugel, die das Weltall symbolisieren soll. Fadillioglu verbreiterte den Eingangsbereich zu dem Gebäudekomplex, um das Ensemble einladender zu machen. Der Balkon für die Frauen, in vielen Moscheen ein eher düsterer Bereich, ist hell und geräumig. Fadillioglu hofft, dass es Frauen erlaubt sein wird, neben den Männern im Hauptraum zu beten.

Die staatliche türkische Religionsbehörde hat in den vergangenen Jahren viel unternommen, um die Stellung der Frau im türkischen Islam zu stärken. So wurden einige Frauen zu stellvertretenden Muftis ernannt und erhielten damit leitende Positionen in der Religionsverwaltung. Doch im Alltag stehen die türkischen Frauen weiter in der zweiten Reihe. Nie zuvor hat eine Frau in der Türkei bei der Gestaltung einer Moschee eine führende Rolle gespielt. Bei der in Berlin-Pankow geplanten Moschee hingegen war auch eine Architektin, Mubashra Ilyas, federführend. Fadillioglu wurde für das Projekt von den Sakirs angeheuert, einer wohlhabenden türkisch-arabischen Familie in London. Die Sakirs bauen die Moschee zu Ehren ihrer Eltern und haben sich einen Standort am Eingang des KaracaahmetFriedhofes in Üsküdar, im asiatischen Teil Istanbuls, ausgesucht; Semiha Sakir, die Mutter der Auftraggeber, liegt auf dem Friedhof begraben. Nachdem der prominente Architekt Hüsrev Tayla ein Hauptgebäude mit einer eleganten Kuppel errichtet hatte, kam Fadillioglu als Designerin an Bord. Tayla hat sich in türkischen Zeitungsinterviews wenig begeistert gezeigt.

Viele der 80 000 Moscheebauten in der Türkei folgen eher schlecht als recht den Vorgaben des Meisterarchitekten Sinan, der im 16. Jahrhundert viele osmanische Prachtbauten wie die SüleymaniyeMoschee in Istanbul errichtete. Auch bei der Einrichtung gehen Sinans Erben meist keine eigenen Wege. Schon allein deshalb sorgt die für etwa 350 Gläubige ausgelegte Sakirin-Moschee mit ihren ungewöhnlichen Ideen für so viel Aufsehen.

Als Avantgardekünstlerin will sich Fadillioglu dennoch nicht verstanden wissen. Bei ihren Entwürfen habe sie zusammen mit ihrem 18-köpfigen Team und neun hinzugezogenen Künstlern darauf geachtet, die Menschen nicht durch Extravaganzen abzuschrecken. „Wir wollen die Leute mitnehmen.“ Das heißt aber nicht, dass alles beim Alten bleiben muss. „Holzgeschnitzte Minbars – das ist der alte Stil, das haben wir tonnenweise.“ Manche Dinge könne man eben anders machen. „Es gibt so viel Kreativität in diesem Land.“

Mit ihren Entwürfen und ihrem Stil hat Fadillioglu offenbar einen Nerv getroffen. Nicht nur in der Presse und der türkischen Architektur- und Designerszene ist das Sakirin-Projekt ein viel beachtetes Thema, sondern auch bei frommen Bauherren: Fadillioglu erhielt bereits ein Angebot für die Gestaltung einer weiteren Moschee.

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