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Kultur: Liebe ist kälter als das Leben

„Unter dir die Stadt“ – Christoph Hochhäuslers fesselnde Studie über den Psycho-Störfall eines Bankers

Ein Film, gemacht aus der Frankfurter Skyline, aus diesen Türmen der Macht. Und die menschlichen Dinge, die ganze Stadt hat sich nicht nur „unter dir“, sondern auch im handlichen Spielzeugformat aufgestellt. Ist dies Christoph Hochhäuslers Beitrag zum neuen Genre des „Bankenfilms“, gedreht in der optischen Fritz-Lang-Nachfolge? Will er die Türme entlarven? Soziologen machen das gern, und jeder Regisseur ist zwangsläufig ein Soziologe.

Doch er denkt gar nicht daran. Hochhäusler findet Hochhäuser schön. Diese absolute Durchsichtigkeit, diese gläserne Welt. Früher baute sich die Macht Trutzburgen mit Wällen, heute lässt sich die Uneinnehmbarkeit in die Fenster schauen – wenn’s denn jemand schafft. Aber den Regisseur („Falscher Bekenner“) interessiert bei diesen Blicken etwas anderes: Was macht die Macht, wenn die Macht keinen Spaß mehr macht?

Was soll Bankmanager Roland Cordes (Robert Hunger-Bühler), der in seinem Turm ganz oben sitzt, auch schon antworten auf die immer neue Frage: Und wohin jetzt? Da ist kein Stockwerk mehr obendrüber. Und ist es wirklich Erfüllung, täglich neu in die vor Aufstiegswillen zuckenden Gesichter zu blicken?

Da fällt ihm, bei einer Vernissage, eines auf, das geschieht ganz ohne Anstrengung. Und da regiert einmal nicht der Wille, die bei der Veranstaltung gespielte Musik zu verstehen, nur weil man nachher etwas sehr Eingeweihtes darüber sagen können sollte.

Hochhäusler mag es, sehr beiläufig in seine Geschichten hineinzugehen. Man weiß – wie im wirklichen Leben – nicht sofort, worauf das hier hinauswill. Zufällige Begegnungen, der Manager hat die junge Frau (Nicolette Krebitz) schon einmal gesehen und gestellt, als sie durch die Bank streunte. Eine Unbefugte! Aber sie erweist sich – vom ersten Satz an, gesprochen mit der schönen, kühlen, weichtiefen Nicolette-Krebitz-Stimme – als unstellbar. Ihr Mann arbeitet hier, einer von den jungen mit dem Zucken im Gesicht. Es ist wahr, es geht sie alles nichts an, sie läuft wie durch Kulissen.

Das Duell ist eröffnet. Der ältere Mann mit der Wohin-jetzt-noch?-Frage hat wieder, vorläufig, ein Ziel im Leben. Und sie? Hat noch nie eins gehabt. Sie ist die Frau eines Mannes, das ist vielleicht kein Ziel, aber eine provisorische Identität ist es schon. Kann sein, dass diesen Roland Cordes nichts so provoziert wie provisorische Identitäten. Dass er sie vielleicht auch darum beneidet.

Alles bleibt gedämpft und kühl. Gebäude schaffen sich ihre Bewohner, auch wenn letztere glauben, es sei genau anders herum. Eine Welt aus Glas. Und auch die Gesichter sind wie Glas, durchsichtig fast, aber sie können zerspringen. Die Kamera (Bernhard Keller) lauert und registriert jeden Riss. Robert HungerBühler und Nicolette Krebitz haben jene minimalistische Präzision, in der eine gezückte Augenbraue bereits ein Maximum emotionalen Engagements anzeigt. Aber müsste sie nicht ihre Reserve aufgeben, wenn er, der Mann mit der Macht, den Mann der jungen Frau einfach nach Indonesien versetzt? Man nennt das auch Beförderung.

In aller Geldes Umgebungskühle baut sich hier ein erotisches Vexierbild auf, die beiden Schauspieler sind seine Artisten. Und wer sagt denn, dass Liebesszenen bei mindestens 37 Grad spielen müssen? Hier werden sie zum Spezialfall des Kalten Krieges.

fsk Oranienplatz, FaF Friedrichshain, Hackesche Höfe, Kant, Rollberg

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