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Kultur: Linke Bazille

Werner Schneyder liest in der Komödie am Ku’damm Zeitung

Ein Schauspieler, der einen Schauspieler spielt – Theater, das sich selbst widerspiegelt, reizvoll changierend zwischen Selbstbestätigung und Selbstkritik, sieht man immer wieder einmal gern. Jetzt betritt ein Kabarettist dies weite Feld: Werner Schneyder, Autor und Protagonist einer „Galanacht“, spielt in Berlins Komödie am Ku’damm einen Kabarettisten namens Walter Salzmann, legt jedoch Wert auf die Feststellung, mit dieser Figur keineswegs identisch zu sein. Kunststück! Salzmann, einst als „linke Bazille“ geschmäht respektive gerühmt, hat längst die Lust verloren, satirischer Stachel im Fleisch der saturierten Gesellschaft zu sein. Er ist im Alter bequem geworden, tingelt mit einem Repertoire garantiert unpolitischer Witze herum, ein Mann, der sich seinen Schneid hat abkaufen lassen – etwa von einer Firma, die ominöse „Sensoren“ für technische, auch militärische Zwecke herstellt und ihren Geschäftsfreunden zur Jahrestagung eine Galanacht mit dem Entertainer spendieren will.

Einen gewissen Anspruch aber hat sich Salzmann bewahrt: Als er in dem Nightclub das vertraglich vereinbarte Equipment nicht vorfindet, weder Scheinwerfer noch Konzertflügel, droht er, den Auftritt abzusagen. Gute Nacht, Galanacht! Die Beschwerde zunächst bei dem Pärchen, das die Bar betreibt, darauf bei der Direktion des Rüstungsbetriebs gibt dem Autor die Gelegenheit, in Gestalt seines Helden wieder die „linke Bazille“ hervorzukehren. Salzmann, seinen Auftraggebern seinerseits Saures gebend, verschmilzt unversehens mit dem nach wie vor angriffslustigen Kabarettisten, der ihn spielt: Schneyder, im Tagesspiegel und anderen Zeitungen blätternd, improvisiert bissige politische Kommentare – ein Intermezzo, das, bei der Premiere ein voller Publikumserfolg, Abend für Abend aktualisiert werden soll.

Regisseur Martin Woelffer hat das Glück, in Ilja Richter für die Rolle des Konzernchefs einen Darsteller gefunden zu haben, der dem dominierenden, mitunter auch schwadronierenden Schneyder Paroli bieten kann. Richter, anfangs souverän blasierter Phrasendrescher, mimt später glasigen Blicks, verwaschen sprechend, den Besoffenen, der sein schweres Schicksal beklagt, über das ihn auch seine geil kichernde Sekretärin (Berenice Seher) nicht hinwegtrösten kann. Was ist los? Seine Geschäftsfreunde, gleichfalls blau, wollen und können keine Gala mehr sehen. Eine Pleite auch für die Nightclubber, einen fiesen Macho (Henry Meyer) und seine smarte Bardame (Hemma Clementi). Salzmann, immerhin, wird sein Geld kriegen. Und für die Hotelnacht die Barfrau dazu. Morgen früh warten die neuesten Zeitungen darauf, dass er sich seinen satirischen Reim auf sie macht.

Bis 15. Juni täglich, außer montags.

Günther Grack

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