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Literatur: Hauptsache gut gekleidet

Unser Mann in Harvard: Nick McDonells Politthriller „Ein hoher Preis“.

Die Voraussetzungen für einen guten, aufregenden, politisch interessanten Roman könnten nicht besser sein. Eine Geschichte, die in den USA und am Horn von Afrika spielt, genauer zwischen Boston, dem kenianisch-somalischen Grenzgebiet und einer Insel im Indischen Ozean. Und die von den Verstrickungen erzählt, die es zwischen Studenten, Absolventen und dem Lehrkörper der Harvard University gibt und den Unterstützern einer Rebellengruppe, die in einem politisch und gesellschaftlich zerrütteten, in mehrere Machtsphären geteilten Land wie Somalia zumindest als nicht-islamistisch gilt.

Zudem stammt diese Geschichte von einem Schriftsteller, der mit seinen 26 Jahren zwar noch sehr jung ist, aber bereits seinen dritten Roman vorlegt und sich in den Konfliktregionen dieser Welt gut auskennt: Nick McDonell, seines Zeichens Reporter für verschiedene amerikanische Medien aus dem Irak, Afghanistan oder dem Sudan. Das Dumme ist nur, dass „Ein hoher Preis“ nicht hält, was man sich bei diesen idealen Voraussetzungen verspricht. Nick McDonell hat zwar im zarten Alter von 18 Jahren mit „Zwölf“ ein fulminantes Debüt über die verkommene Upper-Class-Jugend der Ostküste vorgelegt (was zu schönsten Hoffnungen Anlass gab, einen Bret Easton Ellis für die nuller Jahre gefunden zu haben), zu einem hochklassigen Polit-Thriller befähigt ihn das aber noch lange nicht.

Ein solcher soll sein neuer Roman „Ein hoher Preis“ nämlich sein, was auf langen dreihundert Seiten aber nur eine Behauptung ist, wie im Übrigen noch viel mehr die von Fans und Verlag gern bemühten Vergleiche mit Graham Greene. McDonells Roman ist weder besonders spannend noch politisch brisant; und er besitzt weder die Tiefe selbst der schwächsten Greene-Romane, noch vermittelt er eine Ahnung davon, wie verworren die Lage in Ostafrika und speziell in Somalia ist und was diese Verworrenheit für die Menschen dort bedeutet; Afrika dient McDonell lediglich als Folie, um die stetig wechselnden Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse seiner Figuren zu beschreiben.

Immerhin beginnt er, wie es sich für das Genre gehört, schnell, abwechslungsreich, in medias res gehend. In Boston erfährt die Harvard-Professorin Susan Lowell, dass sie den Pulitzer-Preis für ihr Buch über den somalischen Freiheitskämpfer Hatashil bekommen soll. Doch nachdem sie erst mit ein paar Gläschen gefeiert und später im Ehebett ihren Mann „in sich aufgenommen“ hat, kurz vorm Einschlafen, „denkt sie plötzlich: Warum habe ich Angst?“

Und ein paar tausend Kilometer weiter östlich auf dem afrikanischen Kontinent muss der junge CIA-Agent und Harvard-Absolvent Michael Teak miterleben, wie die Bewohner eines somalischen Dorfes niedergemetzelt werden. Teak sollte in dem Dorf jenem von Lowell porträtierten und von den Amerikanern unterstützten Hatashil Geld und ein Handy überbringen. Ihm stellt sich nun drängend die Frage, ob nicht Hatashil oder gar die Amerikaner selbst für den Terrorakt auf die mit ihnen verbündeten Dorfbewohner verantwortlich sind. Was wiederum für Lowell fatal wäre, zeigt sich doch ihr Buch in einem anderen Licht, läuft sie Gefahr, den Pulitzer-Preis wieder aberkannt zu bekommen.

Dann sind da noch die Harvard-Studenten Jane und David, sie aus honoriger Familie, er aus Somalia stammend und um Aufnahme in eine für seine spätere Karriere so wichtige Studentenverbindung ringend, der iranischstämmige Razi, der Lowell bei den Recherchen für ihr Buch geholfen hat, Lowells Mittelsmann in Afrika, Toma Ali Mugabo, Davids schottischer Kommilitone Robert, die Saufbrüder und Drogenfreaks Willy und Lucas, die Waffenschmugglerin Marina, die sich seit ihrer Kindheit in einem Kibbuz in Haifa von der Religion ausgenützt fühlt.

Je mehr Figuren McDonell in sein amerikanisch-afrikanisches Campus- und Agentenspiel einführt, je kürzer genregemäß die Kapitel werden, je schneller ihre Abfolge wird, desto verwirrter wird man, desto mehr verliert man die eigentliche Story aus den Augen, desto weniger interessiert man sich für sie. McDonell weiß natürlich, dass zu jedem Thriller Umwege gehören und ein zahlenmäßig großes Personal, das sich manchmal auf Abwegen befindet, aber bis zur unwichtigsten Nebenfigur charakterisiert oder mit einer notdürftig zusammengeflickten Lebensgeschichte ausgestattet werden will.

Deshalb muss besagte Marina ein populäres religiöses Buch lesen und hoffen, „ihr fehlender Glaube würde reifer und vielschichtiger werden, wie ein guter Bordeaux“; deshalb muss von Roberts sieben Geschwistern und seinem trunksüchtigen, als Pfarrer arbeitenden Vater die Rede sein. Und deshalb müssen Willy und Lucas ihre Cameo-Auftritte haben, deren einziger Sinn und Zweck darin besteht, dass sie nach einer Sauftour in ihrem roten Mini Cooper ums Leben kommen und mit ihnen ihr „Kneipenkumpel“ Razi.

Doch genau wie die Nebenfiguren bleiben die Hauptfiguren blass, Michael Teak, Susan Lowell, Jane oder David, ihre Motivationen, ihre Einstellung zur Welt, ihre psychische Verfasstheit: „Seit ihre Integrität infrage gestellt wurde, machte sich Susan noch sorgfältiger zurecht als gewöhnlich. Ihre Nervosität und ihre Zweifel kamen in neuen Schuhen und makellosem Make-up zum Ausdruck. Sie hätte gern irgendwie ihre Unschuld bewiesen, doch sie telefonierte bloß. Was ihr sinnlos vorkam. Wenn sie bei ihrer Kleidung nicht sorgfältig war, geriet sie ins Trudeln.“

Das ist schlimm, sehr schlimm. Es lässt einen aber kalt, wie so vieles in diesem Roman, der seine stärksten Szenen auf dem Campusgelände hat; wenn McDonell Studentenverbindungstreffen schildert. Oder wenn er beschreibt, wie Michael Teak und Jane in „ästhetischer Hinsicht“ dem Ideal ihrer Privatausbildung nahe kommen: „Beide schüttelten sich mit durchgestreckten Rücken die Hand.“

Am Ende wird der Freiheitskämpfer Hatashil in ein immer zwielichtigeres Licht getaucht, bringt McDonell viele Figuren stets aufs Neue in die Verlegenheit, ihre Überzeugungen zu überprüfen, gibt es noch die eine oder andere Überraschung. Dass Michael Teak schließlich geläutert in Paris landet – wo sonst, als junger Amerikaner? – ist die schönste Volte dieses Romans, wie ironisch oder ernsthaft oder bewusst kitschig McDonell das auch immer meint. Ist aber auch egal.

Nick McDonell:

Ein hoher Preis.

Roman. Aus dem Englischen von Thomas Gunkel. Berlin Verlag, Berlin 2010.

303 Seiten, 22 €.

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