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Literatur: Jakov Lind gestorben

Der österreichische Schriftsteller Jakov Lind ist tot. Er starb eine Woche nach seinem 80. Geburtstag. Bekannt war Lind vor allem wegen seines ungeschönten Schreibstils, für den ihn viele verachteten.

Wien - Wie das Österreichische Fernsehen und die Presseagentur Apa berichteten, starb Lind schon am Samstag in London, wo er seit 50 Jahren gelebt hatte. Die Beerdigung habe am Sonntag stattgefunden. Über die Todesursache wurde nichts bekannt. Der gebürtige Wiener war erst am 10. Februar 80 Jahre alt geworden. Der 1927 als Sohn einer jüdischen Händlerfamilie geborene Lind wurde 1938, nach dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland, mit einem Kindertransport nach Holland geschickt. Nach der Besetzung Hollands tauchte er unter und überlebte unter falschem Namen als Schiffsjunge auf Rheinschleppern, später als Kurier im deutschen Reichsluftfahrtministerium.

Nach dem Krieg versuchte er vergebens, in Israel, Wien und Holland als Gelegenheitsarbeiter und Schauspieler Fuß zu fassen. Eine Heimat fand er in London. Dort entstanden 1962/63 der Erzählband "Seele aus Holz" und der Roman "Landschaft in Beton". Den ersten Band seiner Autobiografie, "Counting my Steps" (1969) verfasste Lind auf Englisch; es folgten weitere Romane, Erzählungen und Hörspiele.

Lind als "Ruhestörer"

Düster und grotesk ist der Grundton des Schriftstellers, fast apokalyptisch. Damit schuf sich der gebürtige Wiener nicht viele Freunde - er wurde nie ein massentauglicher Schriftsteller. "Ruhestörer" nannte ihn Marcel Reich-Ranicki einmal. Lind schilderte die Erfahrung von Vertreibung, Verfolgung und Heimatlosigkeit aggressiv und sarkastisch.

Erst vor rund zehn Jahren setzte im deutschsprachigen Raum eine späte, zaghafte "Lind-Neuentdeckung" ein. Bis dahin galt er als Geheimtipp, einer, den die Literaturszene kannte oder die Gemeinde derer, die das Schicksal des Wiener Juden teilten. In seinen Werken wählte Lind nie die Perspektive des leidenden Opfers. Der wortgewaltige Autor erzählte seine Erfahrungen mit ungezähmten Fantasien, die alle Regeln sprengten.

"Das Unerträgliche erträglich denken"

Verzweiflung und Trauer ließen sich für Lind nur mit Ironie und grotesker Verfremdung darstellen: "In Wirklichkeit probiere ich bloß andere Möglichkeiten der Existenz und mache mir Notizen. Schreiben heißt für mich Alternativen finden. Das Unerträgliche erträglich denken." Ausgezeichnet wurde er unter anderem 1997 mit der Ehrenmedaille der Stadt Wien in Gold. In diesem Jahr sollte Lind den Theodor-Kramer-Preis für Schreiben im Widerstand und im Exil erhalten. (tso/dpa)

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