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Literatur: Juror: Nobelpreis durch Jelinek-Vergabe beschädigt

Zwei Tage vor der Bekanntgabe des diesjährigen Literatur-Nobelpreises hat der Juror Knut Ahnlund aus Protest gegen die Vergabe 2004 an Elfriede Jelinek seine Mitgliedschaft in der Schwedischen Akademie niedergelegt.

Stockholm - In der Zeitung «Svenska Dagbladet» schrieb der Schriftsteller und Literaturwissenschaftler Knut Ahnlund (82) am Dienstag, der Schaden für den Nobelpreis durch die Vergabe an die österreichische Autorin Elfriede Jelinek (58) sei «irreparabel». Weiter meinte er: «Die Vergabe an Jelinek hat den Wert der Auszeichnung auf absehbare Zeit zerstört.»

Ahnlund bezeichnete Jelineks literarische Arbeit in seinem Artikel über zwei Zeitungsseiten unter anderem als «monoman und einspurig», jammernde und lustlose Gewaltpornografie», geprägt von «parasitärem Charakter», «sinnlos aggressiv» sowie «von aufgeblasenem Umfang, der in schreiendem Kontrast zu ausgesprochen dünn gesäten Ideen und Visionen steht». Weiter schrieb Ahnlund: «Erniedrigung, Demütigung, Schändung, Sadismus und Masochismus sind Hauptthemen ihrer Welt. Sie schließen andere Aspekte des Menschen aus, weshalb ihr Werk so armselig und dürftig ausfällt.» Dazu erklärte Jelinek der dpa in Wien schriftlich: «Nein, dazu gebe ich keinen Kommentar ab.»

Ahnlund hatte wegen persönlicher Konflikte mit mehreren der insgesamt 18 Akademiemitglieder seit 1996 nur noch sporadisch an deren Arbeit teilgenommen und diese massiv in der Öffentlichkeit kritisiert. Über die Motive bei der Vergabe des mit zehn Millionen Kronen (1,1 Millionen Euro) an Jelinek vergebenen Nobelpreises meinte er: «Die Akademie hat nicht nur ihr Bild von sich selbst für zehn Millionen Kronen gekauft, sie muss es auch ungeprüft gekauft haben.» Er bezweifle stark, dass die anderen Juroren «auch nur einen Bruchteil» von Jelineks 23 Büchern gelesen hätten. «Die künstlerischen Argumente wurden zu Gunsten von Modeideologie und Opportunismus an die Seite gedrängt», hieß es in dem Artikel.

Ahnlund hatte in den vergangenen Jahren unter anderem den Ständigen Sekretär der Schwedischen Akademie, Horace Engdahl (56), öffentlich als opportunistisch und inkompetent bezeichnet. Engdahl meinte in einer schriftlichen Erklärung, Ahnlunds Rücktritt sei eine «Pseudo-Neuheit», weil dieser seit 1996 ohnehin mit Ausnahme von zwei bis drei Teilnahmen an Festlichkeiten nicht in der Akademie aktiv gewesen sei.

Auch unter Stockholmer Kulturjournalisten wurde die neuerliche Attacke des 1983 in die Akademie gewählten Autoren vor allem als Fortsetzung extrem heftig ausgetragener persönlicher Fehden mit «Rivalen» eingeschätzt. Deshalb habe er auch mit seinem Protest gegen Jelinek bis zwei Tage vor der Bekanntgabe des Literaturnobelpreises 2005 gewartet, um größtmögliche Publizität zu erreichen.

Der Stockholmer Verleger Svante Weyler meinte: «Diese Sache wird die Akademie zusammenschweißen.» Nach den seit 1786 geltenden Regeln der Schwedischen Akademie sind die 18 Mitglieder jeweils auf Lebenszeit gewählt und können ihr Amt auch nicht selbst abgeben. Aus diesem Grund werden die Schriftstellerin Kerstin Ekman (72) und ihr Kollege Lars Gyllensten (83) weiter als Mitglieder geführt, obwohl sie 1989 aus Protest gegen das Schweigen der Akademie zur Verfolgung des britischen Schriftsteller Salman Rushdie (58) zurückgetreten waren.

(Von Thomas Thomas Borchert, dpa)

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