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Kultur: Literatur-Tipps: Bruno Preisendörfer über Familienbande in Bücher-Titeln

Seit einiger Zeit ist viel von "Internet-Literatur" zu hören: Rainald Goetz hat seinen "Abfall für alle" zuerst als Internet-Tagebuch verbreitet; Thomas Hettche installierte eine Art Literaturplattform; Weiberpolitycki versuchte sich an einem elektro-interaktiven Roman; und dann das viele Selbstgebastelte, in dem das Kreisen um den eigenen Brei und kreativschreibendes Kunstbemühen die eigenartigsten Mischungen hervorbringen. Allen diesen Versuchen, einschließlich jener der professionellen Schriftsteller, ist gemeinsam, dass es sich fast ausnahmslos um Prä-Internet-Texte handelt, die bloß ins Netz "hineingestellt" wurden, und die man deshalb auch wieder "ausdrucken" kann.

Seit einiger Zeit ist viel von "Internet-Literatur" zu hören: Rainald Goetz hat seinen "Abfall für alle" zuerst als Internet-Tagebuch verbreitet; Thomas Hettche installierte eine Art Literaturplattform; Weiberpolitycki versuchte sich an einem elektro-interaktiven Roman; und dann das viele Selbstgebastelte, in dem das Kreisen um den eigenen Brei und kreativschreibendes Kunstbemühen die eigenartigsten Mischungen hervorbringen. Allen diesen Versuchen, einschließlich jener der professionellen Schriftsteller, ist gemeinsam, dass es sich fast ausnahmslos um Prä-Internet-Texte handelt, die bloß ins Netz "hineingestellt" wurden, und die man deshalb auch wieder "ausdrucken" kann. Nun ist ein ausdruckbarer Text vielleicht gelungen oder interessant, aber er ist ganz bestimmt kein internet-spezifischer Text. Was wäre dann ein "internet-spezifischer" Text? Einfache Antwort: Ein Text, der ausschließlich im elektronischen Medium funktioniert. Eben deshalb ist alles, was ausgedruckt werden kann, bloß ein Text im Internet, aber kein Internet-Text. Aber womöglich kommt es auf Gattungsbestimmungen dieser Art gar nicht mehr an. Mit dem gesamten Spektrum des Themas setzt sich die "elektroLit" im Literarischen Colloquium von Donnerstag Abend (ab 19 Uhr) bis Samstag Nacht auseinander. Zu den Teilnehmern gehören neben den Organisatoren Stephan Porombka, Hilmar Schmundt, Thomas Wegmann Berühmtheiten wie Peter Glaser, der unvermeidliche Norbert Bolz und der noch unvermeidlichere Peter Weibel. Mein Favorit des achtunggebietenden Programms ist die für Samstag um 20 Uhr 30 versprochene Hypertext Vorführung von Tim Staffel.

"Die Asche meiner Mutter", "Die Stimme meines Vaters", "Der Zopf meiner Schwester", "Der Nabel meines Onkels", "Die Trompete meiner Tante" - zu den schlechten Gewohnheiten des Literaturbetriebs gehört das Erfinden von Titeläffchen. Kommt ein "böses Mädchen" irgendwohin, laufen ganze Heerscharen hinterher; wird ein Halbsatztitel wie der von Mutters Asche erfolgreich, werden kohortenweise verwandschaftliche Halbsatztitel ausgeheckt. Weil aber die Bücher nichts dafür können, und weil Otto Sander eine schöne Schnauzbartstimme hat, könnte man sich mal anhören, wie er mit Joe Fiorito aus dessen Buch "Die Stimme meines Vaters liest": Montag, 20 Uhr, Ethnologisches Museum (Lansstr. 8).

Thomas Mann hat schon wieder Geburtstag. Diesmal ist es der 125ste. Heute um 20 Uhr lesen Michael Degen, Ulrich Matthes und Lena Stolze aus dem Briefwechsel zwischen Thomas, Klaus und Erika Mann. Am Sonntag um 20 Uhr lesen Reinhard Baumgart, Vicco von Bülow und Peter Wapnewski aus den Tagebüchern Manns. Beides in der Akademie der Künste.

Das letzte Mal wurde der "Satz der Woche" eingeführt. Er stammte aus Hegels "Vorlesungen über die Ästhetik". Hegels Schelte des Betätschelns der "weichen Marmorpartien der weiblichen Göttinnen" bezog sich übrigens auf den damals sehr bekannten Publizisten Karl August Böttiger, der vor zwei Jahren mit seinen Weimarer Klatschgeschichten wieder aus der Versenkung geholt wurde. Diesmal geht der Wochensatz so: "Schaut euch nur die Wachtel an! / Trippelt aus dem dunklen Tann; / tut grad so, als sei sie wer, / Wachtel Wachtel täuscht sich sehr."

Aus der Serie: \"Babel & Co \"

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