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Ortwin Runde und Mahmut Doulatabadi, einem der bekanntesten iranischen Schriftsteller seiner Zeit.

© dpa

Literaturfestival in Berlin: Aschefarbene Tauben für Mahmud Doulatabadi

Einer der bekanntesten iranischen Schriftsteller, Mahmud Doulatabadi, lässt zum Literaturfestival keine weißen Friedenstauben, sondern Aschefarbene fliegen. Es sind die in den Kämpfen und Wirren seines Landes Untergegangenen.

„Nichts weckt bei Jungen so viele Leidenschaften wie eine Revolution. Wie die Taube, die zur Sonne fliegt, so hoch, bis sie verbrennt.“ Wenn diese jungen Menschen aber zurückkehren, weiß der Colonel, dem alle fünf Kinder aus den Augen geraten sind, landen sie „in einer Welt voller List und Verlogenheit“. Die Wahrheit, die sie suchten, werden sie nicht finden: „Dann werden die glühenden Fetzen ... die geschmolzenen Fetzen ... Ein Strom aus Feuer und Glut ...“

Pünktlich zur 24-stündigen globalen Marathonlesung für den Frieden, die im Rahmen des Internationalen Literaturfestivals live ins Haus der Kulturen der Welt übertragen wird und Eingang ins Guiness-Buch der Rekorde finden soll, fliegen auch im dortigen Theatersaal die Tauben auf. Doch bei Mahmud Doulatabadi, einem der bekanntesten zeitgenössischen iranischen Schriftsteller, sind es keine weißen Friedenstauben, sondern aschefarbene, die sich in den Kämpfen und Wirren seines Landes versengt haben. Zusammen mit seinem Freund und Übersetzer Bahman Nirumand liest der 1940 in Doulatabad geborene Doulatabadi aus seinem Roman „Der Colonel“ (Unionsverlag, 19,90 €), und wenn seine tiefe Stimme auf- und abebbt wie bei einem orientalischen Märchenerzähler, muss man kein Farsi verstehen, um das aufbewahrte Leid zu empfinden.

„Der Colonel“, der in der Realzeit von 24 Stunden ein ganzes Jahrhundert iranischer Geschichte einfängt, ist die Folge eines Albtraums des Autors. Eines Nachts, erzählt er, zogen die Geschehnisse des Buches wie in einem surrealen Film an ihm vorbei. Er wachte auf und versuchte, den Traum niederzuschreiben, doch es blieb bei nur einer Seite. Schließlich dauerte es 25 Jahre, bis „das Buch und die Zeit reif waren“, um fertig geschrieben und veröffentlicht zu werden. Seine Erstveröffentlichung erlebte es allerdings auf Deutsch: Obwohl Doulatabadi 2009 auf einen Machtwechsel im Iran hoffte und damit auf den Fall der Zensur, darf es in seiner Heimat bis heute nicht erscheinen.

Das ist wenig überraschend, zumal es sich um eine Abrechnung handelt, die ihre Düsterkeit aus dem Revolutionsjahr 1979 schöpft und den Zerfall einer ganzen Gesellschaft beinhaltet. Der Roman, sagt Doulatabadi im Gespräch mit Barbara Wahlster, sei eine Verpflichtung seinem Volk gegenüber gewesen, und er wappne sich mit Geduld, bis es bereit sei, sich mit seiner Geschichte auseinanderzusetzen. Unter dem Eindruck von Angst und Repression sei der Erfahrungszusammenhang gerissen, es mangele den Generationen an einer gemeinsamen Sprache. „Die Demokratie ist kein Schwimmbecken, in das wir uns einfach hineinstürzen könnten.“

Im Unterschied zu seinen Exilkollegen ist Doulatabadi trotz zweijähriger Haft unter dem Schah-Regime im Iran geblieben. Vielleicht war ihm nicht nur das Schreiben, sondern auch seine Herkunft Verpflichtung.

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