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Kultur: Luft und Liebe

In New York wird die Sammlung des Galeristen Pierre Huber versteigert

New Yorks „Mid-Season Sales“ mit Contemporary Art sind eigentlich für schmalere Geldbeutel gedacht. Mit der Sammlung von Pierre Huber bei Christie’s erfahren die in diesem Jahr eine enorme Aufwertung – seit langem ist keine so anspruchsvolle zeitgenössische Sammlung auf den Markt gekommen. Schon der Name von Hubers Genfer Galerie „Art & Public“ zeigt, dass Kunst diesem radikalen Händler immer mehr war als die Ausschmückung eines wohlhabenden Interieurs mit Reichtumstrophäen. Nun ist der Galerist 65 Jahre alt und will es noch einmal wissen: Er verkauft seine inzwischen weitgehend abgesicherte Westkunst und macht sich auf zu neuen Abenteuern im Fernen Osten. In Schanghai will er eine Spitzenmesse für Contemporary Art gründen.

Das Startkapital für diese Unternehmung dürfte die Auktion locker zusammenbringen: 78 Werke werden versteigert, die zusammen um 15 Millionen Dollar kosten sollen und ein Kondensat der Sammlung darstellen. Doch Huber treibt nicht nur die Abenteuerlust. Er verkauft auch, weil es ihm nicht gelang, ein Museum in seinem heimischen Genf für die Privatsammlung zu interessieren. Das Genfer Museum of Modern and Contemporary Art, Nachbar seiner Galerie, habe nicht einmal Interesse an einer Ausstellung seiner Thomas-Ruff-Fotos gehabt, klagt er. Nun kann man ein Kondensat von Ruffs Fotokunst kaufen – die Serie von 60 Porträts im Kleinformat 24 mal 18 Zentimeter für 200 000 bis 300 000 Dollar.

Vor allem drei provokante Werke werden den Auktionsmarkt auf die Probe stellen. Jim Shaws raumsprengende Installation „Donner Party“ (Schätzpreis 400 000 bis 600 000 Dollar) besteht aus einem Theaterprospekt, einem Pseudo- Lagerfeuer, das um einen Staubsauger herumgebaut ist, und zwölf (!) Leiterwagen. Sie bilden eine Wagenburg rund um einen Esstisch, auf dem 27 „Mahlzeiten“ aus Fundobjekten aufgebaut sind. Das Ensemble erinnert an den Pioniertreck der Familie Donner, die 1846 in der Sierra Nevada von einem Schneesturm heimgesucht wurde. Die wenigen Überlebenden konnten sich nur durch Kannibalismus retten. Shaws „Dinner“ (der Titel erinnert an Judy Chicagos „Dinner Party“ aus den siebziger Jahren) ist voller Anspielungen, die von der alten Wikingergöttin Loki bis zu Rudolf Steiner reichen und sich mit dem Utopismus der amerikanischen Pionierkultur auseinandersetzen.

Huber sammelte amerikanische Kunst von Shaw, aber auch von Richard Prince, Paul McCarthy, Raymond Pettibon oder Mike Kelley lange, bevor diese zu Szenestars wurden. Mike Kelleys „Testroom“ (800 000 bis 1,2 Millionen Dollar) von 1999 verbindet Bühnenbilder für die Avantgarde-Choreografin Martha Graham mit Experimentieranordnungen der Psychologen Harry F. Harlow und Albert Bandura. Wer die käfigartige Installation betritt, wird durch Filme und Objekte in eine psychologische Versuchsanordnung einbezogen.

Groß, aber einfacher in der Handhabung ist das teuerstes Objekt: Paul McCarthys „Bear and Rabbit on a Rock“ (1-1,5 Millionen Dollar). Zwei menschengroße Disney-Figuren vollziehen einen komisch-verstörenden Sexualakt. Kinderunschuld und amerikanische Sexobsession werden hier äußerst effektvoll miteinander verwoben.

Den Kern von Hubers Sammlung bildet der Minimalismus, der hier nicht als Vollendung der Moderne, sondern als Moment des Ausbruchs verstanden wird, an dem die Arbeit der Kunst mit Alltagsmaterialien und deren theatralischer Neupräsentation beginnt. Die Preise sind noch verhältnismäßig moderat. Eine Lichtinstallation von Dan Flavin ist auf 150 000 bis 200 000 Dollar geschätzt, Donald Judds Wandskulptur „DSS89“ auf 300 000 bis 400 000 Dollar, und für 500 000 bis 700 000 Dollar erhält man eine Bodenskulptur Carl Andres. Von hier führt eine logische Linie zu dem Konzept-Minimalisten Martin Creed, auch wenn dessen Werk Nr. 200 deutlich leichtgewichtiger ist: Für 80 000 bis 120 000 Dollar erhält man ein Zertifikat des Künstlers mit der Anweisung dafür, wie man einen Raum zur Hälfte mit Luftballons füllt.

Über diese sehr stimmige Huber-Kollektion hinaus bieten Christie’s, Sotheby’s und Phillips de Pury die üblichen Verdächtigen. Phillips de Pury hat viele deutsche Künstler wie Norbert Bisky, Jonathan Meese, Thomas Scheibitz mit Papierarbeiten und Auflagenwerken im Angebot. In Christie’s „First Open“ kosten Richard Pettibones Miniaturkopien von Warhol Flower Paintings 35 000 bis 45 000 Dollar. Und Damien Hirst hat sich selber miniaturisiert: Bei Sotheby’s bekommt man ein Spot-Painting für 30 000 bis 40 000 Dollar – bei einer sehr raumsparenden Größe von 13 mal 12 Zentimetern.

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