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Kultur: Luzide Heiterkeit

Dass man mit "sehr großen Chören dieselbe Klarheit, Präzision und Feinheit erzielen kann wie mit kleinen", hat bereits 1905 Albert Schweitzer festgestellt - anhand des Philharmonischen Chors Berlin. Uwe Gronostay hat als Nachfolger von Hans Chemin-Petit den Klangstil des Chores zielstrebig weiterentwickelt und dem großen Amateurchor eine ganz eigene, zeitnahe Farbe und Flexibilität verliehen.

Dass man mit "sehr großen Chören dieselbe Klarheit, Präzision und Feinheit erzielen kann wie mit kleinen", hat bereits 1905 Albert Schweitzer festgestellt - anhand des Philharmonischen Chors Berlin. Uwe Gronostay hat als Nachfolger von Hans Chemin-Petit den Klangstil des Chores zielstrebig weiterentwickelt und dem großen Amateurchor eine ganz eigene, zeitnahe Farbe und Flexibilität verliehen. Für sein Abschiedskonzert als künstlerischer Leiter wählte er sich ein Werk, das in seiner luziden Heiterkeit, seiner "Zauberflöten"-Nähe diesen aufgelichteten Klangstil geradezu erheischt: "Die Jahreszeiten" von Joseph Haydn. Ihre so heitere wie hintersinnige Bilderwelt gewann eine außergewöhnlich schöne Leuchtkraft. Da war zu hören, dass Gronostay den Chor in zwanzigjähriger Verantwortung bis in die Nähe eines ambitionierten Berufschores geführt hat.

Er legte die chorischen Glanzstücke bei aller präzisen Detailarbeit mit gehöriger Schwungkraft und einem bemerkenswerten Zug ins Große an. Sie hatten es in sich, die mit drastisch-prägnanter Textausdeutung gesungenen Sätze "Ach, das Ungewitter naht" und "Dann bricht der große Morgen an". Soviel musikantische Spontaneität und animierende Bildkraft, soviel tänzerische Beweglichkeit, Kontrastfreudigkeit und Klarheit des Musizierens wird Haydn nicht immer zuteil. Gronostay traf mit dem Chor, der mit einem so blitzsauberen wie biegsamen Gesamtklang erfreute, haarscharf den ureigenen, aufgeräumten und herzlichen Ton des letzten Haydn-Oratoriums, das den Ernst nie ganz ausspart.

Aber auch die vielen lyrischen Kabinettstücke gingen in geradezu szenischer Schattierung über die Bühne. Auf hohem Niveau musizierten das pointiert agierende Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach sowie die mit feiner, individueller Stimmgestik hervortretenden Vokalsolisten Barbara Locher, Werner Güra und Klaus Mertens. Das war ein Haydn, der bisweilen einen fast opernhaft dramatischen Zuschnitt besaß. Uwe Gronostay, der künftig neben seiner Lehrtätigkeit als viel gefragter Gastdirigent auch mit dem Berliner Rundfunkchor arbeiten wird, wurde in der bis in die Ränge hinauf besetzten Philharmonie mit Blumen und Beifall überschüttet.

Eckart Schwinger

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