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Kultur: Majerus bei neugerriemschneider

Der Galerie neugerriemschneider ist es gelungen, einen beträchtlichen Teil ihrer Künstler auf eine mid-career mit Aussichten auf einen Zweitmarkt vorzubereiten. Noch aber gelten die meisten nur als hip.

Der Galerie neugerriemschneider ist es gelungen, einen beträchtlichen Teil ihrer Künstler auf eine mid-career mit Aussichten auf einen Zweitmarkt vorzubereiten. Noch aber gelten die meisten nur als hip. So auch Michel Majerus, der in Zeiten, als die Gegend um die Auguststrasse noch ruinös und marktfern war, in der All Girls Gallery (jetzt: Strandbad Mitte) hunderte Heiratsanzeigen polnischer Frauen mit einem lasziven Frauenportrait des Rokoko-Malers Francois Boucher kontrastierte und die Selbstwerbung der Heiratswilligen mit der Dienstbarkeit des Hofmalers für einen Kuppler verband. Das Interesse an Zitaten und vermittelnden Bildern ist bis heute geblieben, ebenso die Absicht, den ganzen Raum mit Bildern zu bestimmen. In diesem Sinne läßt sich auch die neue Schau verstehen. Die einzelnen Bilder weisen vermittelnd anderswohin; sie meinen nicht sich selbst, sondern dienen Transaktionen.

Majerus instrumentiert die Malerei als Medium der Kommunikation. Er malt und zeichnet direkt auf die Wände, setzt einen überdimensionierten Rahmen in Form eines Fernsehapparats vor die Querwand und ein gleichschenkliges Dreieck längs in den Raum. Der Boden ist mit Spiegelplatten ausgelegt. Die Gesetze der Schwerkraft scheinen aufgehoben. Der Spiegelboden verwirft die Grenzen des Raums, blendet die Bilder ineinander und holt den Himmel durch das Oberlicht auf den Boden. Majerus setzt alles mit allem in Beziehung und macht in diesem suggerierten Beziehungswahn allem Einzelnen den Garaus. Aus Bildzitaten werden bloße Katalogdaten, die in einem Bildsturz kunterbunt durcheinanderpurzeln und implodieren. Doch nicht überall. Es gibt einen Winkel, aus dem heraus nur weiße Wände zu sehen sind. Hier ist das Auge des Bilderwirbels. Alles ist still und Anfang und Innehalten.

Gemessen daran, was derzeit über Michel Majerus geschrieben wird, könnte er als Leichtgewicht erscheinen, der sich im Diskurs der achziger Jahre verflogen hat und Zitate als Kennerkicks abfeiert. Man hält ihn für einen postmodernen Pop-Maler, der auf die überreproduzierten Werke berühmter Künstler anspielt. Doch Majerus führt Zitate in der Schrumpfversion von Signets und Logos als bloße Signale vor. Wie das Heer von Gebrauchsgraphikern, die Klee, Kandinsky, Mondrian auf Schals und Kaffeetassen für Museumsshops drucken, so malt Majerus Newman, Warhol, Ryman, Richter und was an Pop, Op, Konzept, Minimal und ihren kleinen und großen Gegenläufern noch alles neben Comics, Filmstills, Zeitschriften, Katalogbildchen benutzbar ist. Er setzt die Farben mild, dünn, ohne Körper. Sie sind von den Druckmedien und der industriellen Fertigung geprägt und zeigen kaum Lichtreaktionen. Majerus neigt zu sanften Pastelltönen, die in einer horrenden Laura-Ashley-Version der Reproduktionskultur ihre Apotheose finden. Doch ist die inszenierte Milde nur die Maske eines unbekümmerten Killers. Zwar läßt sich sein Vorgehen als Versuch verstehen, die Malerei für eine Generation zu retten, die sich von Reproduktionen prägen ließ. Aber in dem Maße, wie er alles verdünnt, entwertet er die Einzelbilder zugunsten eines Gesamteindrucks: eine Legion von Leichen pflastern seinen Weg. Deshalb kann Majerus so süßlich malen, wie er möchte. Prägend ist der Ort, in dem die Bilder der Heroen verblassen. Und daher kann er auch malen, was er will, die Reflexion findet im Ausstellungsraum statt.

Das ist strategisch clever und genau das, was er groß an die Wand schreibt: Kunstproduzenten würden die reinste Form des Pragmatismus kultvieren. Eine konservative Kundschaft wird immer sagen: was brauchen wir das Neue; das Große ist schon da. Also malt der junge Maler den Aderlass der Vorläufer. Sie machen im glitzernden Schauhaus gute Figur. Doch wenn Majerus nicht als Vamp seine Karriere beenden will, wird er in den weißen Raum zurückkehren, den Retroblick aufgegeben und sich der Gegenwart der Malerei und ihrem innovativen Restpotential zugewandt haben. Bislang zehrt er von den Leistungen anderer. Blut genug hat er nun getrunken.neugerriemschneider, Linienstraße 115, bis 2. Oktober; Dienstag bis Sonnabend 11 - 18 Uhr.

Peter Herbstreuth

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