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Kultur: Malen, schützen, unterstützen

Heute wird bei einer Benefizauktion im Hotel de Rome Kunst versteigert. Mit dabei sind auch Norbert Bisky und Jonathan Meese.

Das Herz von Damien Hirst ist schneeweiß, mit nervösen Schraffuren in Grün und Lila, die in die Tiefe des Zentrums zu rasen scheinen. Ein typisches „Spin Painting“ des britischen Starkünstlers. Man kann es kaufen – für mindestens 9000 Euro – muss aber damit rechnen, dass es weit teurer wird, wenn am heutigen Sonntag im Hotel de Rome am Bebelplatz der Hammer fällt. Denn der offizielle Galeriepreis für die halbmeterhohe Arbeit von 2010 liegt beim fast Doppelten.

Dass Hirst auf diese Art ein Herz für Kinder zeigt, verdankt sich eigentlich einem privaten Sammler. Er spendet das Werk aus seiner Kollektion für eine Benefizveranstaltung im Ballsaal des Hotels. Das Geld geht an Placet: Der Verein von Medizinern um den Berliner Chirurgen Frank Werner Peter betreut und operiert seit elf Jahren vorwiegend Kinder, die aus Kriegsgebieten nach Berlin gebracht werden. Meist schwer verletzt nach Bombenangriffen oder Attentaten und ohne große Überlebenschancen in ihrer Heimat. In der Hauptstadt werden sie von einem Team betreut, das sich ehrenamtlich, allein aus Spenden finanziert. Und das sich seit der ersten großen Auktion vor zwei Jahren auch auf die Hilfe von Künstlern, Sammlern und Galeristen verlassen kann, die in Berlin ansässig sind.

Jonathan Meese gehört zu diesen Unterstützern. Schon 2011 hat er ein Bild für Placet gegeben. „Alles, was in Not ist, muss unterstützt, geschützt, beschützt und gestützt werden, vor allem das, was sich kaum selbst helfen kann“, erklärt der streitbare Maler, den viele für einen Berserker halten. Hier beweist er seine Empathie, und Doris Mampe aus Meeses Berliner Büro fächert die Kriterien für die großzügige Spende gern noch einmal etwas konkreter auf. Anfragen gäbe es nahezu jeden Monat. „Fünf bis acht“ der meist privaten Initiativen dürfen sich über eine positive Antwort freuen. Und zwar richtig, denn Meeses Gemälde erzielen auf dem Kunstmarkt hohe Preise. Wer bei Placet das Bild „Nur Kunst lächelt dich Sau saulieb an, wie Sau“ (2012) ersteigern möchte, der beginnt bei 13 000 Euro ebenfalls weit unter dem Wert der Arbeit und wird nicht einziger Bieter bleiben. Auf keinen Fall gibt Meese aus seinem Atelier Zweitrangiges für Charityanlässe, sagt Doris Mampe. Denn erstens sind „Jonathan Kinder sehr wichtig“. Und zweitens wäre die Wirkung auch fatal, wenn das Los während der Auktion zurückginge.

2011 fand jedes Werk einen neuen Besitzer. Die Spenden, 34 Bilder und Skulpturen, stammten unter anderen von Douglas Gordon, Monica Bonvicini, Carsten Fock, Gregor Hildebrandt und Daniel Richter. „Hauptsache, das Bild spielt Geld ein“, hatte der damals auf die Frage geantwortet, ob die niedrigen Schätzungen nicht auch die Preise für die Künstler verzerrten. Man wolle schließlich helfen und keine Statusbestätigung für die eigene Person. Am Ende kamen 380 000 Euro zusammen – eine Summe weit über den Schätzungen selbst für das obere Limit der Arbeiten.

Mit 50 Losen fällt das Angebot diesmal noch etwas umfangreicher aus. Darunter findet sich mit „Heterotopia“ (2013) auch ein signiertes Blatt von Norbert Bisky, den ebenfalls das ganze Jahr über Anfragen erreichen. Egal ob Museen, Vereine gegen Folter oder Tierschützer: Viele Initiativen haben gemerkt, wie groß das Interesse an Kunst ist, nun bitten sie um Unterstützung. „Ich mache das seit vielen Jahren und finde es vollkommen in Ordnung“, sagt Bisky. „Natürlich können wir Künstler nicht die Welt retten.“ Aber schon etwas tun gegen die Not und mit dem Vorsatz, die Welt ein Stück besser zu machen. „So gesehen bin ich Idealist“, sagt der renommierte Maler, verliert dabei jedoch seine inhaltlichen Präferenzen nicht aus dem Auge und hält sich zurück, wenn ihn das Projekt nicht vollkommen überzeugt. „Es geht ja auch um die Geste und Aufmerksamkeit, die das Projekt durch uns bekommt.“ Bisky gibt Aquarelle, Editionen oder Leinwände. „Der maximale Wert ist nicht das oberste Ziel.“ Und manchmal hat er auch einfach nichts: „Ich muss die Arbeiten ja erst mal herstellen.“

Im Fall von Placet liegt das Engagement auf vielen Schultern. Der Berliner Galerist Volker Diehl hat einen Teil der Künstler angesprochen und so Nadine Diana Griesbach vom Verein etwas der Arbeit abgenommen. Von den Künstlern aus seinem Programm beteiligen sich Thomas Florschuetz mit einer Fotoarbeit vom ausgeweideten Palast der Republik zum Mindestgebot von 900 Euro, Karsten Konrad mit der Wandskulptur „Blindfold“ für 2200 Euro und Martin Assig gleich mit zwei abstrakten Zeichnungen. Die Rahmenhandlung von Stefan Landwehr hat Arbeitszeit und Material zur Verfügung gestellt, die Vorbesichtigung fand am Berliner Standort des Auktionshauses Lempertz statt, Geschäftsführer Kilian Jay von Seldeneck schwingt im Hotel de Rome den Hammer, das wie schon 2011 die Räume zur Verfügung stellt. Für 700 angemeldete Gäste, die um Sophia Lorens Porträt von Michel Comte, eine Lithografie von Tim Eitel, einen Siebdruck von Gerold Miller oder die Wachsskulptur von Olivia Berckemeyer zum Mindestgebot von 1200 Euro konkurrieren. Teurer sind die Originale von Elvira Bach, Markus Lüpertz und Günter Grass.

Christian Achenbach spendet sein Ölgemälde „Gin“ (2012). Dem ehemaligen Meisterschüler von Anselm Reyle gefällt der Gedanke, für eine Weile aus der „Parallelwelt Kunst“ auszusteigen und mit einer kleinen, für ihn unkomplizierten Geste zu helfen. Wem er etwas spendet, das empfindet er als „sehr persönliche Sache“. Auch die Telefonseelsorge sei schon unter den Adressaten gewesen. Einmal allerdings habe er abgesagt, als ein großes deutsches Museum für eine Benefizauktion Arbeiten von ihm und anderen Künstlern haben wollte, um das Werk eines international etablierten Malers anzukaufen. Da fühlte Christian Achenbach sich dann doch für den falschen Zweck angefragt.

Hotel de Rome, Bebelplatz, Mitte, am heutigen Sonntag ab 16.30 Uhr, Infos: www.placetcharity.com

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