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Kultur: Man muss nicht reden. Es reicht, einfach da zu sein

„Schultze Gets the Blues“ heißt Michael Schorrs Debütfilm. Ein Gespräch über Gartenzwerge und Bahnschranken

Herr Schorr, Ihr erster Spielfilm ist eine ostdeutschsüdstaatenamerikanische Frührentner-Tragikomödie mit Musik geworden. Gab es einen Auslöser?

Das Projekt lag schon ziemlich lange in meiner Schublade. Von Anfang an existierte die Figur von Schultze: Der Film steht und fällt mit ihr. Auch Horst Krause hatte ich schon während des Drehbuchschreibens im Kopf. Damals war gerade „Wir können auch anders“ von Detlev Buck angelaufen. Und ich brauchte jemanden, der eine Präsenz hat, auch wenn er nicht gerade sonderlich aktiv ist. Jemanden, der die Leinwand – auch körperlich – füllt. Und auch jemanden, der Schultzes Neugier und Naivität glaubwürdig vermitteln kann.

„Schultze Gets the Blues“ handelt auch von einem sehr eigentümlichen Ort: Teutschenthal.

Der Ort ist schon sehr wichtig. Wir hatten zwar zuerst ein Buch, nach dessen Vorgaben wir den Drehort gesucht haben. Doch es war auch klar, dass wir das Manuskript gegebenenfalls ändern würden, um es realen Bedingungen anzupassen. In Teutschenthal war alles genau so, wie wir es brauchten.

Dieses Teutschenthal existiert also wirklich?

Genau, und es war unser Wunsch, möglichst wenig zu verändern. Viele Bewohner haben im Film mitgewirkt – und über sie ist viel von dem realen Ort in die Handlung eingeflossen. Der Schachclub etwa oder die Geschichte mit der Eisenbahnschranke, die immer geschlossen ist, sind erst durch den Ort selbst entstanden.

Sie selbst kommen auch aus einer Kleinstadt. Wollten Sie mit dem Film auch eigene Lebenserfahrung aufarbeiten?

Sicher spielt mit herein, dass ich diese Rituale der Kleinstadt bestens kenne: immer an die gleichen Orte zu gehen und die gleichen Leute zu treffen.

War von Anfang an klar, dass der Film im Osten spielen sollte?

Die Strukturprobleme im Osten sind noch sehr viel lebendiger und dramatischer als etwa im Saarland oder im Ruhrgebiet. Insofern ist es schon notwendig, dass der Film im Osten spielt. Andererseits wollte ich Ostalgie vermeiden, das Ostspezifische löst sich ja allgemein langsam auf.

Sie stammen aus der Pfalz. Wie haben die Teutschenthaler auf das Wessi-Team reagiert?

Erstaunlich positiv. Die Region wurde ja ziemlich vom Westen gebeutelt, und ich rechnete erst damit, dass die Leute nicht sonderlich erfreut sind, wenn man sagt, man kommt vom ZDF. Aber dann waren sie so hilfsbereit und offen und wollten genau wissen, was wir vorhatten. Ähnlich übrigens in Louisiana, wo das soziale Umfeld vergleichbar ist.

Man könnte Ihren Film als eine besondere Spielart der Doku-Fiction bezeichnen. Warum die Mischung aus real vorgefundenem und künstlich inszeniertem Material?

Beim Dokumentarfilm verpasst man oft Dinge, weil man nicht eingreifen möchte. Beim Spielfilm gibt es die Gefahr des Totinszenierens und der Klischees. Wir nahmen uns die Freiheit, den Text auch umzuschmeißen und zu improvisieren.

So furchtbar viel gesprochen wird ja nicht...

In meinem letzten Kurzfilm wird in 30 Minuten nur ein einziger Satz gesagt. „Schultze Gets the Blues“ ist mein erster Spielfilm, in dem Dialoge tatsächlich stattfinden, wenn auch auf reduzierte Art. Ich mag Filme, wo die Leute scheinbar nichts tun und nur da sind. So drückt sich oft mehr aus.

Das Pendant zu dieser Lakonie sind die langen Totalen. Schneiden Sie Ihre Filme selbst?

Ich würde nie einen Film selber schneiden. Tina Hillmann, mit der ich schon die ersten Filmübungen an der Filmhochschule gemacht habe, hat das bisher immer übernommen. Wir haben traditionell auf einem alten Schneidetisch auf 35-mm-Material den Hobel angesetzt. Ich brauche jemanden, der das Material sieht, ohne die Probleme vom Dreh zu kennen. Das funktioniert immer.

Der Humor Ihres Films lebt von der Lakonie, aber auch von der Skurrilität der Menschen und Dinge. Die Grenze zum Sich-Darüber-Lustigmachen ist oft nicht weit entfernt. Denken Sie an die Gartenzwerg-Szenen!

Das ist ein schmaler Grat. Wir haben deshalb versucht, diese komische Seite des Films etwas herunterzufahren. Und weil wir den Humor eher subtil halten wollten, haben wir auch so wenig wie möglich an der Realität geändert, selbst wenn das eine Menge praktische Probleme aufwarf. Nur so entgeht man der Klamotte.

Und die Gartenzwerge?

Die Gartenzwerge waren tatsächlich da, nicht exakt dieselben, aber eben Gartenzwerge. Auch der TV-Bericht von ihrer Vernichtung ist übrigens authentisch.

Das Gespräch führte Silvia Hallensleben.

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