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Kultur: Marianne Hoppe: Die preußische Diva

Verschwendung und Poesie: ein Bildband über Marianne Hoppe.

Die zwanziger Jahre sind auch ihre Aufbruchsdekade. „Schlanke Jugend und ein Blick aus dem tiefen Brunnen kindlicher Jugend heraus“, bemerkt ein Kritiker 1928 über das Mädchen vom Land. Vor einem Jahr hatte sie beim unangemeldeten Vorsprechen den Fuß in die Tür des Berliner Deutschen Theaters gestellt, Eindruck gemacht als Knabe Wagenlenker aus dem allegorischen Maskenspiel in „Faust II“: „Bin die Verschwendung, bin die Poesie; bin der Poet, der sich vollendet, wenn er sein eigenst Gut verschwendet …“

Ihre Entscheidung für die Poesie war 1926 gefallen. Um einem Mädchenpensionat in Weimar zu entrinnen, wechselt sie, der Wildling vom Prignitzer Gutshof, auf die dortige Handelsschule. Im Nationaltheater begegnet die 15-Jährige der großen Liebe: „Vor mir sitzt eine wunderschöne Frau, die mich so fasziniert, dass ich sie wiedersehen muss. Sie ist Halbjüdin, herrlich, schwarz. Mir erscheint sie wie eine Heilige.“ Ihre Weimarer Umbrüche illustriert ein zur Marianne-Hoppe-Ausstellung (München bis 10. Januar; Düsseldorf 19. Februar bis 11. April) erschienener Katalog. Das Foto vom Pensionatsfasching. Tagebuch-Krakelei. Und Werner Fechners neusachliches Portrait: Ponyfransen, Hütchen, Pelzkragen, ironischer Mundwinkel.

Ihre Anziehung besteht in Kontrasten. Sie ist: disziplinierte Diva in Preußen, der neue Typ, sinnlich distanziert, bisexuell und angepasst, „schuldig“ Geschiedene. Alleinerziehend, Priesterin ihrer Sprache, Königin eleganter Schnodderigkeit. Dass sie als herb, kühl, ja metallisch beschrieben wird, missfällt ihr: Das Selbstbild ist anders. Birgit Pargners Bildband präsentiert Dokumente, darunter Zettelkorrespondenz mit Gustaf Gründgens, dem Ehemann von 1936 bis 1946: „Liebe liebe liebe Marianne, dass Du da bist, dass es Dich gibt ich kann es nicht zeigen, aber ich lebe davon. G.“ Bühnenentwürfe zeigen Kulissen ihrer zentralen Welt. Filme hat sie wenige gute, auch ein paar NS-Propagandawerke gedreht. Fotos feiern die Rollen-Oberflächen als Innenansicht.

Einmal stellt Minister Goebbels ihr in die Wohnung nach; da ist der jüdische Ex-Freund nebenan. Bevor sie an der Seite von Staatsrat Gründgens das Kulturniveau des „Dritten Reiches“ hebt, liebt sie Ödön von Horvath; dessen Kind sie abtreibt, dem sie ins Exil nicht folgt. „Die schwarzen Seiten ihres Poesiealbums“, wie die 81-Jährige den Karriere-Teufelspakt umschrieb, verharmlost Pargner eher. Günther Rühle hat die späten „Knacksdamen“ der Hoppe als Inkarnation von „Unerbittlichkeit“ und „innerem Horror“ gewürdigt. Wir sehen die Maskenspielerin (geb. 1909, gest. 2002) blasiert in der Revue „Alles Schwindel“ (1931), knabenhaft als Bronze von Fritz Klimsch (1935), idealistisch als Jeanne d’Arc (1938), für „Romanze in Moll“ (1943) umschleiert. „I am the woman in between“. Thomas Lackmann

Birgit Pargner: Marianne Hoppe: „ Erst die Schönheit, dann Klugheit und dann das helle, saubere Herz.“ Henschel 2009, 240 Seiten, 26,90 €.

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