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Martenstein: 118 Minuten mit... Bartstoppeln am Hals

Unser Kolumnist stutzt sich den Bart und besucht die Pressevorführung von "The International".

Nicht nur der Papst, der Bahnchef und Barack Obama, auch ich mache Fehler. Kurz vor Beginn der Berlinale wollte ich meinen Bart stutzen. Offenbar wollte ich, dass im Berlinale-Palast die Leute sich mit dem Ellbogen anstoßen und flüstern: „Schau mal, dieser Typ da, unglaublich, was für ein wahnsinnig schön gestutzter Bart.“ Ich habe im Bad gestanden und den Bart gestutzt. Plötzlich wehte ein Wind. Die abgetrennten Haare wirbelten umher wie Funken eines Lagerfeuers. Da habe ich, warum auch immer, den Mund geöffnet. Bartstoppeln flogen in den Mund hinein. So was ist mir noch nie passiert.

Die abgetrennten Haarstoppeln schmiegten sich an die Schleimhäute, welche in der Rachenregion reichlich vorhanden sind. Mir wurde übel. Ich bin in die Küche gerannt und habe Wasser getrunken. Aber es half nichts, mein Hals war voller Barthaarstoppeln. In der Pressevorführung von „The International“ musste ich dauernd würgen. Und dann sagte jemand: „Wenn es keinen Ausweg gibt, sollte man den Weg tiefer rein finden.“ Das stimmt nicht. Wenn es keinen Ausweg gibt, muss man versuchen, sich dran zu gewöhnen.

„Es ist schwer, zu entscheiden, über welche Brücken man geht, und welche man anzündet.“ Unsinn. Warum denn überhaupt Brücken anzünden? Nun, falls man verfolgt wird, zündet man eine Brücke eventuell an, aber Sprengen ist sicherer. „Manchmal findet man sein Schicksal dort, wo man ihm zu entgehen suchte.“ Was will der Dichter mir damit sagen?

Dies sind alles Dialogsätze aus „The International“, dem Eröffnungsfilm. Wenn die Hypo Real Estate so viel Schotter besäße wie dieses Drehbuch überkandidelte Sprüche, wäre Hypo Real Estate auf der sicheren Seite. „The International“ handelt von kriminellen, zutiefst bösen Banken, die Sympathieträger dagegen werden von der Mafia und der Stasi gestellt. Irgendwie stört es mich, wenn ein Film eins zu eins das ausdrückt, was viele Leute auf der Straße gerade denken. Ein Film muss überraschend an ein Thema herangehen. Was mir als originell auffiel: Die Oberschurken waren glatt rasiert, die meisten Guten trugen zumindest Dreitagebart.

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