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Kultur: Massaker mit Holzschwert

Gesualdo mordet wieder. Letztes Jahr erst war die wahre Lebensgeschichte des genialen Madrigalkomponisten und Fürsten zu Venosa im Hebbel-Theater zu erleben.

Gesualdo mordet wieder. Letztes Jahr erst war die wahre Lebensgeschichte des genialen Madrigalkomponisten und Fürsten zu Venosa im Hebbel-Theater zu erleben. Damals, in Mimmo Cuticchios deftiger Puppentheaterversion, spaltete der betrogene Fürst Frau und Liebhaber so schlicht wie bestürzend mit dem Holzschwert.

Auch das Team der Neuköllner Oper verleugnet mit ihrer "Gesualdo"-Interpretation nicht seine Faszination am Drastischen dieser Künstlerbiografie, die mit ihren dicken Schlagzeilen von Sex & Crime am Fürstenhaus auch den intellektuellsten Kunstfreund aus der antivoyeuristischen Reserve lockt. Dennoch haben Rudolf Danker (Regie) und Winfried Radeke (musikalische Leitung) zugleich einen tieferen Blick in die melancholisch verdunkelte Künstlerseele gewagt. Ihre Spielidee ist so einfach wie wirkungsvoll: Fünf Sänger stehen auf der Bühne und singen gemeinsam Gesualdos Madrigale - Stücke, die obsessiv um die Themen von Liebe und Tod kreisen. Zugleich stellen die Sänger aber auch in den Kostümen von Fürst, Freund, Gattin und Nebenbuhler die Konstellationen der Menschen in Gesualdos Leben dar. Mal drastisch, mal in Posen, die mit ihren Beleuchtungseffekten recht geschickt Caravaggio zitieren. Die Bühne ist Welt und Psyche des Fürsten zugleich: In dem schwarzen Raum ist ein Kubus aus dehnbaren weißen Seilen aufgespannt. Ein Käfig, dessen Wände sich perspektivisch verzerren lassen und surrealistischen Schwindel erzeugen, wenn sie aus ihrem Koordinatensystem kippen - wie die Harmonien des in seiner Musik über der Szene schwebenden Geistes Gesualdos.

Doch gerade weil die Spannung des Abends so sehr von dieser gespenstisch körperlosen Präsenz des Protagonisten abhing, hätte man seine atemberaubende Musik wohl doch besser einem eingespielten Madrigalensemble anvertrauen sollen: Diese Stücke verlangen absolute Homogenität des Klangs und Gesualdos wortausdeutende Figuren wollen sehr differenziert geseufzt, gestöhnt und geflüstert werden. Das aber konnten die jungen Opernsänger mit ihren großen und schweren Stimmen bei bester Vorbereitung nicht liefern.

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