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Kultur: Matthias Glasners Club- und Koks-Drama

Heftig treibt es dort ein Diskothekenbesitzer mit seiner Freundin, dass dem DJ in der Nachbarzelle doch glatt sein Koks vom Spülkastendeckel in die Schüssel rieselt. Hoppla!

Heftig treibt es dort ein Diskothekenbesitzer mit seiner Freundin, dass dem DJ in der Nachbarzelle doch glatt sein Koks vom Spülkastendeckel in die Schüssel rieselt. Hoppla!Christian Schröder

Ein Geräusch geht um im Neuesten Deutschen Film: "Snieeefff!" In Filmen wie "Long Hello And Short Goodbye", "St. Pauli Nacht" oder "Gierig", die davon handeln, wie aufregend es doch in unseren großen Städten zugeht, wird auf Teufel komm raus geschnupft, gesaugt, geschnieft. Viele, viele Lines verschwinden in den Nasen der Darsteller, vornehmlich in den Toiletten düsterer Großraumdiskotheken, wo anschließend gerne auch noch schneller, gieriger Sex auf dem Klodeckel praktiziert wird. "Fandango", der dritte Film von Matthias Glasner, bereichert das Genre des Club-Dramas um eine neue Variante. So heftig treibt es dort ein Diskothekenbesitzer mit seiner Freundin, dass dem DJ in der Nachbarzelle doch glatt sein Koks vom Spülkastendeckel in die Schüssel rieselt. Hoppla!

Ist erst genug von dem weißen Pulver im Zentralnervensystem der Figuren angelangt, können die Bilder hübsch psychedelisch mit allerlei Fischaugen-, Farbfilter oder Zeitlupeneffekten aufgemotzt werden, ohne dass das inhaltlich weiter begründet werden müsste. "Jetzt kommt das totale Fandango!", sagen Glasners Helden, wenn sich ihr Ich im Gehämmer der House-Beats und im Geflacker der Stroboskop-Gewitter aufzulösen beginnt. Wobei "Fandango" einerseits den Moment größter Ekstase zu bezeichnen scheint, andererseits aber auch als Drohung eingesetzt werden kann, etwa gegen den Diskotheken-Geschäftsführer, dem das Gesicht frittiert werden soll, weil er Drogen verschwinden ließ: "Wir machen Fandango mit dir!" Derlei semantische Ungenauigkeit passt gut zu einem Film, der sich 100 Minuten lang nicht entscheiden kann, was er sein möchte: Gangster-Comic oder Pop-Melodram, Roadmovie oder Liebesromanze

Shirley (Nicolette Krebitz) träumt davon, Model zu werden, ist aber so klein, dass sie es bei 200 Castings nur einmal auf das Cover von "Poprocky" gebracht hat. Ihr Freund Lupo (Richy Müller), Clubesitzer und Drogenbaron, lebt nach einer einfachen Maxime: "Ich will meine Ruhe, ich will keine Steuern zahlen, und ich will Shirley". Und DJ Sunny (Moritz Bleibtreu) hat von der Wirklichkeit so sehr genug, dass er sich eine Blindenbrille aufsetzt und behauptet, sie nicht mehr zu sehen. Irgendwie landet Shirley in dem Auto, dass Sunny von Lupo geklaut hat, und weil im Kofferraum ein Haufen Koks liegt, haben sie neben dem eifersüchtigen Rave-Paten auch diverse Mafia-Verbände auf dem Hals. Wie sich zwischen Bleibtreu und Krebitz eine Liebe auf der Flucht entwickelt, gehört zu den schönsten Momenten des Films. Doch ständig muss Glasner vorführen, welch irre tollen Ideen ihm noch gekommen sind: fernöstliche Faustkämpfer, lesbische Rächerinnen, angeführt von Corinna Harfouch mit kahlrasiertem Schädel. Harfouch ist es vorbehalten, zu demonstrieren, dass dieses Zeitgeist-Drama schon wieder outdated ist: "Wenn ihr das nächste Jahrtausend erleben wollt, dann bringt ihr mir den Stoff in zwei Stunden!" Ihre Drohung kommt drei Monate zu spät.

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