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Maulwürfe: Der Feind in meinem Büro

In der Ära des kalten Krieges gehörte er zu den Schreckensfiguren. Christian Schröder über die Einsamkeit des Maulwurfs.

Für den Maulwurf ist das Leben ein einziger dunkler Tunnel. Das Licht am Ende des Tunnels meidet er, dort wartet der Mensch mit der Gartenschaufel, um ihn zu erschlagen. Verräterisch sind die Spuren, die der Maulwurf bei der Untergrundarbeit hinterlässt. „Von seinem Aufenthalte gibt er selbst sehr bald die sicherste Kunde, da er beständig neue Hügel aufwerfen muss, um leben zu können“, befand Alfred Brehm schon 1883. Die größte Gefahr geht für einen Maulwurf also vom eigenen Ehrgeiz aus.

In der Ära des Kalten Kriegs gehörte der Maulwurf zu den Schreckensfiguren. Der Maulwurf, das war der Feind in der Maske des Freundes, ein Meisterspion, der bis ins Zentrum der gegnerischen Macht vorgedrungen war und von dort Informationen lieferte. Seine Wühlerei konnte das ganze System zum Einsturz bringen. John le Carré ist der Chronist der Angst vor dem Maulwurf, in seinen Smiley-Romanen hat er die klaustrophobische, tunneldunkle Welt der Geheimdienste beschrieben. „Der Circus schwieg nicht nur, er war eingefroren“, in dieser Atmosphäre beginnt in „Dame, König, As, Spion“ die Jagd auf einen Verräter, der an den sowjetischen Agenten Kim Philby erinnert. Der „Circus“, die britische Geheimdienstzentrale am Cambridge Circus in London, ist ein Beamtenreich, meilenweit entfernt vom 007-Glamour. Man trinkt Jasmintee, keine gerührten oder geschüttelten Cocktails.

George Smiley, Le Carrés Held, hat hart an seiner Unauffälligkeit gearbeitet: „Klein, dick und von ruhiger Gemütsart, schien er eine Menge Geld für wirklich miserable Anzüge auszugeben.“ Tote Briefkästen, Geheimtinten, Entführungen und Morde gehören zum Arsenal des Agentenkriegs. Aber Smiley bringt seine Gegner altmodisch zur Strecke: mit der Beharrlichkeit seiner Ermittlungen. „Es wäre gut, wenn wir ein bisschen ins Detail gehen könnten“, lautet ein typischer Satz bei seinen Verhören. Der Melancholiker Smiley kämpft nicht für eine Sache, sondern erledigt seine Arbeit. Mit dieser Haltung triumphiert er über jeden Überzeugungstäter. Der „faule Apfel“, der Verräter, den er in „Dame, König, As, Spion“ überführt, schwadroniert von Imperialismus und Oktoberrevolution und „schon schien er für Smileys Augen zu etwas ganz Kleinem und Miesem zusammenzuschrumpfen“. Beinahe 30 Jahre lang hatte er sich als Maulwurf in der Geheimdienstzentrale eingegraben. Er fühlte sich wie die Figur in einem Stück von Ionesco: unaufhörlich schweigend, während alle um ihn herum redeten.

Schweigen scheint nach allem, was bisher bekannt wurde, nicht zu den Stärken von Helmut Metzner zu gehören. Der „FDP-Maulwurf“ („Bild“) gilt als „schrulliger Fliegenträger“ („Focus“). Gegenüber Mitarbeitern der amerikanischen Botschaft soll der ehemalige Büroleiter von Guido Westerwelle, der auch schon mal stellvertretender FDP-Vorsitzender in Bayern war, überaus gesprächig gewesen sein. Vermutetes Motiv: Geltungsdrang. So wiederholen sich die Dramen des Kalten Kriegs: als Farce.

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