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Kultur: Mazedonien: Drahtseilakt

Warum versucht die Nato, einen ethnischen Konflikt militärisch zu lösen? Zum Thema Online-Umfrage: Soll sich die Bundeswehr am Mazedonien-Einsatz der Nato beteiligen?

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Warum versucht die Nato, einen ethnischen Konflikt militärisch zu lösen?

Zum Thema Online-Umfrage: Soll sich die Bundeswehr am Mazedonien-Einsatz der Nato beteiligen? Chronologie: AuslandseinsStze der Bundeswehr Deutschland: Zeitplan des Einsatzes und die Haltung der Fraktionen Hintergrund: Die NATO-Operation "Essential Harvest" Die Beteiligten: Welches Land wieviel Soldaten nach Mazedonien schickt Kein Verantwortlicher in Nato oder EU hat bislang behauptet, der Militäreinsatz bringe die Lösung. Vielmehr sollen die Soldaten einen politischen Prozess ermöglichen, in dem die Mehrheit der slawischen Mazedonier den Albanern im Land Schritt für Schritt mehr Rechte eingesteht und im Gegenzug die Befreiungsbewegung der Minderheit auf Gewalt verzichtet. Nach dem gemeinsam von EU und Nato ausgearbeiteten Konzept sollen die Soldaten einen gesellschaftlichen Aussöhnungsprozess dadurch flankieren, dass sie Waffen einsammeln. Die UCK hat sich dazu verpflichtet, diese Waffen nach und nach freiwillig abzugeben, falls das Parlament in Skopje die Verfassung ändert und den Albanern auch auf anderen Feldern entgegenkommt. Grafik: Nato-Operation "Essential Harvest" Warum braucht es überhaupt Soldaten, wenn der Nato-Plan doch eine freiwillige Abgabe vorsieht? Können dann nicht Rot-Kreuz-Helfer oder das Technische Hilfswerk an den Sammelstellen stehen?

Dafür gibt es mehrere Gründe: Nur Soldaten können mit Gewehren, Munition und Minen umgehen, ohne sich selbst zu gefährden. Sie treten mit Autorität gegenüber den Rebellen auf, denn sie können sich selbst verteidigen. Die Gefahr ist geringer, dass sie zu Geiseln von Fanatikern werden. Allein ihre Anwesenheit - auch wenn sie zeitlich begrenzt ist - soll eine einschüchternde Wirkung haben, die zivile Organisationen nicht ausstrahlen könnne.

Welches Kalkül verfolgen die Konfliktparteien in Mazedonien mit dem Nato-Einsatz?

Darüber können westliche Strategen nur Vermutungen anstellen: Die gewählte mazedonische Regierung will, dass die Nato ihren Job gut erledigt und danach schnell abrückt. Dann will sie auch in Albanergebieten ihre eigene Autorität wiederherstellen. Die Befreiungsbewegung UCK könnte versucht sein, die Nato im Land zu halten, da so ethnische Grenzen stabilisiert, das Territorium faktisch geteilt würde. Ein Problem ist: Zwar hat die UCK-Führung die Vereinbarung unterzeichnet, ob sie Abspaltungen extremer Nationalisten oder kriminelle Banden unter Kontrolle halten kann, ist ungewiss. Die Grenzen sind fließend.

Wie steht die Bevölkerung in Mazedonien zum Nato-Einsatz?

Der Kompromiss, zu dem EU und Nato die Parteien gedrängt haben, verlangt beiden Seiten etwas ab. Deshalb ist keine Seite restlos glücklich mit dem Abkommen von Skopje. Zugestimmt haben ihm aber jene Parteien, die mehr als 90 Prozent der Abgeordneten im nationalen Parlament stellen. Spektakuläre Zwischenfälle wie etwa Straßenblockaden belegen, dass slawische Mazedonier die Nato als Helfer der UCK und damit als Besatzungsmacht empfinden. Es ist aber schwer zu sagen, welche Zwischenfälle eigens inszeniert waren, um Stimmung zu machen. Die USA planen, mit einer massiven Werbeaktion die Mazedonier für den Aussöhnungsprozess zu gewinnen.

Ist die Begrenzung der Mission auf 30 Tage realistisch?

Auf diese Zeitspanne kann sich tatsächlich niemand verlassen. Strategen der Nato und solche der Bundeswehr überlegen längst, wie es weitergeht, wenn es schief geht. Aber das tun sie im Geheimen: Sie wollen nicht eine längerfristige Anwesenheit signalisieren und so den Druck von den Konfliktparteien nehmen, ihre Zusagen zu erfüllen - in der vereinbarten Zeit. Aber der politische Prozess und die Waffenabgabe sind eng verzahnt, Klagen über ein Fehlverhalten des anderen können den Entwaffnungsprozess schnell zum Stillstand bringen. Problem: Die Nato-Soldaten sind nur ermächtigt, jene Waffen entgegenzunehmen, die ihnen freiwillig ausgehändigt werden. Dabei kursieren nach Nato-Erkenntnissen weit mehr als jene 2000 Waffen, die UCK-Führer offiziell angegeben haben.

Wäre es nicht besser, gleich ein wirklich robustes Mandat zu beschließen, nach dem die Nato-Soldaten Frieden schaffen können, falls die Lage brenzlig wird?

Dagegen steht das Völkerrecht und der Wunsch, den zivilen Aussöhnungsprozess voranzutreiben, so lange er irgendwie möglich scheint. Mazedonien ist ein unabhängiger Staat, seine Regierung hat die Nato ins Land gerufen. Aber vielleicht wäre das Mandat tatsächlich etwas robuster ausgefallen, falls auch amerikanische Soldaten mit von der Partie wären. Aber die neue Regierung in Washington hält sich zurück, da sie den Frieden auf dem Balkan vor allem für eine europäische Aufgabe hält.

Wie verhält sich die Nato, falls die Konfliktparteien sich nicht ans Abkommen halten?

In diesem Fall wird Nato-Oberbefehlshaber Joseph Ralston den Truppen in Mazedonien zunächst den Befehl erteilen, sich auf die Stützpunkte zurückzuziehen. Die Atlantische Allianz ist in dem Konflikt zur Neutralität verpflichtet. Laut Mandat ist es auch nicht seine Aufgabe, den Waffenstillstand zu garantieren. Eskaliert der Konflikt, muss der Nato-Rat entscheiden, ob die Nato-Truppe abgezogen wird. "Wenn es knallt, gehen wir wieder raus", meint ein deutscher Diplomat in Brüssel. "Dann muss sich die Nato anschließend überlegen, wie sie auf die neue Situation reagiert und ob sie auf andere Weise eingreifen kann."

Ist es für den Erfolg der Mission nötig, dass Bundeswehr-Soldaten teilnehmen?

Militärisch ist das nicht nötig. Aber die Nato- und EU-Partner fordern diesen Beitrag vom größten Land Europas. Dazu kommt: Deutschland würde wie kaum ein anderes EU-Land die Auswirkungen eines neuen Krieges in der Region spüren. Drastisch gesagt: Auch an der Mazedonien-Abstimmung des Bundestages entscheidet sich, ob Berlin in Zukunft lediglich Nutznießer oder maßgeblicher Gestalter europäischer Außen- und Sicherheitspolitik sein wird.

Geht die Bundesregierung ehrlich mit der Öffentlichkeit um?

Nein. Die Haltung der Bundesregierung hat sich mehrfach geändert. Anfangs hat man offiziell eine Vorbereitung der Mission bestritten, später sprachen der Bundeskanzler und der SPD-Fraktionschef davon, der Einsatz werde robuster als angenommen und dauere wahrscheinlich länger als 30 Tage. Davon ist nun keine Rede mehr.

Schwächt die Nato mit dem Einsatz die Autorität der UN, wie Kritiker sagen?

Nein. Die Vereinten Nationen (UN) begrüßen die Mission. Es gibt keine andere internationale Organisation, die den militärischen Teil des Friedensplans umsetzen kann - weder die OSZE noch die UN. Der UN-Sicherheitsrat hat sich ausdrücklich hinter den Einsatz gestellt - auch die Vertreter Russlands und Chinas.

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