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Kultur: Mazedonien-Einsatz: 30 Tage plus x

Überparteilich ist nicht nur die Mehrheit für die Entsendung der Bundeswehr nach Mazedonien. Überparteilich besteht auch Konsens darüber, dass die Mission unter Unwägbarkeiten leidet.

Überparteilich ist nicht nur die Mehrheit für die Entsendung der Bundeswehr nach Mazedonien. Überparteilich besteht auch Konsens darüber, dass die Mission unter Unwägbarkeiten leidet. Quer durch die Fraktionen betonten die Redner der Bundestags-Sondersitzung am Mittwoch, dass der Einsatz, wie er nun auf der Basis eines 30-Tage-Mandats festgezurrt ist, alles andere als eine Garantie auf einen Erfolg in Mazedonien mit sich bringt.

Zum Thema Dokumentation: Fischers Bundestagsrede in Auszügen. Chronologie: Auslandseinsätze der Bundeswehr Hintergrund: Die NATO-Operation "Essential Harvest" Die Aufgaben: Was die Bundeswehr in Mazedonien erwartet. Die Beteiligten: Welches Land wieviel Soldaten nach Mazedonien schickt Da sind zunächst Zweifel an dem, was die Nato tut. Volker Rühe, der Ex-Verteidigungsminister, erhob zwei Forderungen, die nirgendwo verankert sind, die aber viele Balkan-Experten für nötig halten, soll denn Mazedonien dauerhaft befriedet werden. Der Waffennachschub für die UCK-Rebellen über die Grenze zum Kosovo und zu Albanien müsse "energisch unterbunden" werden, verlangte Rühe. Und: Man sollte "die UCK auch gegen ihren Willen vollständig entwaffnen". Rühe vertrat damit die Kritik der Variante "das Mandat reicht nicht".

Dahinter steckt die Furcht, sich unfreiwillig zum Helfershelfer der albanischen Rebellen zu machen. Dass der Eindruck vermieden werden muss, hier fände "eine Prämierung von Gewaltanwendung" statt, betonte auch der Vize-Vorsitzende der SPD-Fraktion, Gernot Erler. Ein Sprecher der türkischen Minderheit in Mazedonien, der das Waffenstillstandsabkommen ablehnt, hat schon bekannt, welch fataler Reiz vom Vorbild der albanischen Rebellen ausgeht. Er habe es schwer, so der Türken-Sprecher, seine Leute davon abzuhalten, nun auch zu den Waffen zu greifen und so die Verankerung von Türkisch als Verfassungs-, Verwaltungs- und Schulsprache durchzusetzen.

Am deutlichsten benannte die PDS, die einzige Gegnerin des Einsatzes, das Risiko der Instrumentalisierung durch die Albaner. "Die UCK will das Modell Kosovo für Mazedonien, weil das die Option für die eigene Machtteilhabe ist", sagte Vize-Fraktionschef Wolfgang Gehrcke. Es werde der Nato schwer fallen, den Eindruck zu vermeiden, dass es um ein "Paktieren mit extremistischen Organisationen" gehe. Freilich zog die PDS aus dem Missmut an der unfreiwilligen Allianz mit den Albanern im Vergleich zur Union die gegenteilige Konsequenz: Kein robusteres Mandat; sondern gar keines. Immerhin - bei der Beschreibung der Risiken trafen sich viele im Parlament. Falls der Mazedonien-Einsatz der Nato tatsächlich in eine Trennung der Volksgruppen und die Errichtung eines de-facto-Protektorats münden sollte, stellt sich noch eine ganz andere Frage: Wie lange können europäische Demokratien eine solche Zwangsverwaltung auf dem eigenen Kontinent aushalten? Taugen EU und Nato zum Militäradministrator auf Dauer? Sind die neuen Staaten auf dem Balkan reif für Europas Post-Nationalismus?

Geberkonferenzen allein reichen nicht

Diese Fragen, die viele Abgeordnete in Hintergrundgesprächen stellen, wurden nur angetippt. Auf dem Balkan fehle die Reife, die andere Staaten aus den schrecklichen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts gezogen hätten. Wolfgang Gerhardt, FDP-Fraktionschef, formulierte es umgekehrt: "Wenn die Menschen nach Europa wollen, müssen sie sich europäisch verhalten!" Geberkonferenzen allein reichten nicht. Immerhin ist seit 1992 eine Milliarde Mark zur Prävention nach Mazedonien geflossen, wie der SPD-Außenpolitiker Gert Weisskirchen berichtete.

Dass die Ressourcen europäischer Außenpolitik nun seit zehn Jahren, seit der Wiedervereinigung und dem Ende der Sowjetunion, an die Eindämmung immer neuer Kriege auf dem Balkan gebunden sind, das strapaziert die Geduld auch des hilfsbereitesten Politikers. Innerhalb der Allianz ist der Mazedonien-Einsatz indes ein Unikum. Die Amerikaner sind politisch eingebunden, aber nicht mit Soldaten präsent. George W. Bush erspart dies eine unliebsame Debatte über die Grenzen des internationalen US-Engagements. Gleichzeitig betonen die europäischen Außen- und Verteidigungsminister seit Monaten, Mazedonien sei als erster Testfall für ESDI, die europäische Sicherheits- und Verteidigungs-Identität, ein ungeeigneter Modellfall.

Praktisch aber wird Mazedonien wohl genau dies: Die Antwort auf die Frage, ob die europäischen Nato-Staaten allein Frieden schaffen können. Gerhardt war einer der wenigen, die diesen Aspekt benannten. Ein Grund für die Zustimmung der Liberalen sei, dass es sich hier um einen Testfall für Europas Diplomatie handele. Auch einmal ohne US-Führung zu arbeiten sei gut "für ein eigenes europäisches Selbstbewusstsein".

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