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Das MDR-Sinfonieorchester hat seinen Sitz in Leipzig.

© Andreas Lander

MDR Sinfonieorchester: Klänge von Krieg und Leid

Unter der Leitung von Dennis Russel Davies spielt das MDR Sinfonieorchester in der Berliner Philharmonie Werke amerikanischer Komponisten.

Von Tye Maurice Thomas

„Healing“ (Heilung) steht im Zentrum des außergewöhnlichen Programms, mit dem das MDR-Sinfonieorchester unter der Leitung von Dennis Russell Davies am Sonntagnachmittag in der Philharmonie zu erleben ist. In einem berührenden Konzert geht es um die Themen Krieg, Verwundung und Heilung. Dabei erklingen ausschließlich amerikanische Werke, die im Berliner Konzertleben fast nie zu hören sind.

Das Konzert beginnt mit „Decoration Day“ von Charles Ives, einem erstaunlich modernen Werk von 1912, das den Tag, an dem in den USA der Kriegstoten gedacht wird, musikalisch schildert. Motivfetzen von Kirchenliedern streifen durch eine Klanglandschaft dissonanter Streicherkantilenen. Zart erklingt noch der aus US-Kriegsfilmen bekannte Zapfenstreich „Taps“, bevor sich das Werk kurzzeitig in eine lärmende Militärparade verwandelt. Der Trauertag verklingt wie er begonnen hat: mit kargen, von Kirchenglocken begleiteten Streicherakkorden.

Thomas Hampson singt berührend Verse von Walt Whitman

Es folgt das intimste Stück des Abends, „The Wound-Dresser“ von John Adams, eine Vertonung des gleichnamigen Gedichts von Walt Whitman für Bariton und Kammerorchester. Thomas Hampson, dem dieses Werk sehr am Herzen liegt, singt berührend von den entsetzlichen Erfahrungen Whitmans als Sanitäter im amerikanischen Bürgerkrieg. Flächige Streicherklänge evozieren die monotone Atmosphäre eines Lazaretts, in dem Leiden verwaltet, nicht aber geheilt werden kann. Bisweilen brechen Trompetensoli daraus hervor und lassen an die Schreie der Amputierten denken.

In „Kaddish“ vertonte Leonard Bernstein seine Glaubenszweifel

Nach der Pause folgt mit Leonard Bernsteins 3. Sinfonie von 1963 das extrovertierte Gegenstück, in dem fast 200 Mitwirkende aufgeboten werden: Neben dem riesig besetzten Orchester, zu dem allein neun Schlagwerker gehören, stehen der Rundfunk- und Kinderchor des MDR auf der Bühne, dazu Thomas Hampson als Rezitator und die Sopranistin Sarah Wegener.

In den drei Sätzen des einstündigen Werkes vertont Bernstein das im Judentum zum Totengedenken gesprochene „Kaddish“. Ein von ihm selbst verfasster Text behandelt seine persönlichen Glaubenszweifel. Hampson, angesichts der Klangmassen elektronisch verstärkt, verleiht dem Hadern und Anklagen würdevollen Ausdruck. Sarah Wegener intoniert die zarten Sopran-Soli makellos und mit weichem Klang, auch wenn ihre Position hinter dem Orchester akustisch ungünstig ist.

Über das Pathos des Werkes selbst kann man geteilter Meinung sein, nicht aber über die erstklassige Qualität der Aufführung: Hochkonzentriert und hingebungsvoll meistern alle Beteiligten die rhythmisch hochkomplexe Partitur. Ohne Aufhebens um sich zu machen, verkörpert der fast 80-jährige Dennis Russell Davies gebündelte Energie, die sich auf alle Anwesenden überträgt.

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