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Kultur: Medeas Metamorphosen

Ein Gespräch mit der Choreographin Sasha Waltz über Oper, Schulen und das „Radialsystem“

Frau Waltz, Sie zeigen ihr Stück „insideout“ im Rahmen des Festivals „Tanz made in Berlin“. Vom 1. bis 17. Dezember präsentieren 22 Bühnen in der Stadt Berliner Choreografen – ein Rekord. Entfaltet der Tanz in Berlin derzeit eine stärkere Dynamik?

„Tanz made in Berlin“ ist ein wunderbares Signal des Aufbruchs. Es ist auch positiv, dass sich das Netzwerk „TanzRaum Berlin“ gebildet hat, um dem Tanz eine einheitliche Stimme gegenüber der Politik zu verschaffen. Das bedeutet aber nicht, dass sich die Situation des Tanzes in Berlin so enorm verbessert hat. Es bleibt weiterhin viel zu tun.

Nach der Trennung von der Schaubühne mussten Sasha Waltz & Guests finanzielle Einbußen hinnehmen. Trotzdem hat man den Eindruck, dass die neue Unabhängigkeit künstlerische Energien bei Ihnen freisetzt. Sie sind sehr präsent in der Stadt.

Es war unser Anliegen, die Unabhängigkeit von einem festen Haus dafür zu nutzen, wieder stärker Impulse in die Stadt hineinzugeben. Das ist uns in diesem Jahr denke ich gelungen mit unserer Beteiligung am Tanzkongress durch das Solo für Vladimir Malakhov, unserem Forschungsprojekt mit der Charité, bei „TanzZeit - Zeit für Tanz in Schulen“ und durch unsere zahlreichen Aufführungen im Radialsystem, in der Staatsoper und der Schaubühne. Zusammen mit den internationalen Gastspielen konnten wir 120 Vorstellungen realisieren.

Das Überleben von Sasha Waltz & Guests ist längerfristig nicht gesichert. Sie erhalten in den nächsten zwei Jahren 600 000 Euro vom Land Berlin und 875 000 Euro aus dem Hauptstadtkulturfonds .

Der eigene Haushaltstitel ist ein wichtiger Meilenstein für den zeitgenössischen Tanz. Tatsächlich brachte die Unabhängigkeit jedoch eine Verringerung unserer Mittel um 400 000 Euro. Daher habe ich die Company von 16 auf 9 Ensembletänzer vorübergehend verkleinern müssen. Das ist für einen Spielbetrieb von 120 Vorstellungen im Jahr auf Dauer nicht haltbar. Wir hoffen aber, dass wir die Company ab 2008 finanziell auf eine solide Basis stellen können, unabhängig von den Mitteln des Hauptstadtkulturfonds.

In September wurde das Radialsystem eröffnet. Welche Möglichkeiten bietet das neue Kunstzentrum an der Spree?

Das Radialsystem ist in erster Linie eine Produktionsstätte. Wir mieten hier neben vielen anderen Ensembles temporäre Probenräume und haben eine neue Heimat für die Company gefunden. Spezielle interdisziplinäre Projekte wie die „Dialoge“, die auf den Ort zugeschnitten sind, oder Ausbildungsprojekte werde ich hier machen. Dennoch wird das Radialsystem nicht der einzige Aufführungsort von Sasha Waltz & Guests sein. Meine großen Produktionen sind weiterhin an der Schaubühne und an der Staatsoper zu sehen.

„Dido & Aeneas“, Ihre erste Opernproduktion, läuft weiter an der Staatsoper. In gleicher Konstellation werden Sie im Mai 2007 „Medea“ nach Luigi Cherubini inszenieren. Haben Sie sich diese Oper ausgesucht?

Ich bin nach langer Recherche auf diese Oper von Cherubini gestoßen. Medea ist ein spannender Stoff, außerdem suchte ich nach einem Werk, in dem der Chor eine tragende Rolle spielt. Dieses Werk wurde noch nie mit Originalinstrumenten gespielt – das ist auch für das Orchester, die Akademie für Alte Musik Berlin, eine große Herausforderung. Die Oper ist Teil des Projektzyklus „Medeamorphosen“, das im Radialsystem stattfinden wird und das Medea-Thema aus unterschiedlichsten künstlerischen Blickwinkeln beleuchtet.

Was reizt die Choreografin Sasha Waltz, eine Oper zu inszenieren?

Live-Musik ist gewaltig und inspirierend. Und die antiken Stoffe finde ich für die Erarbeitung von Bewegung unheimlich reich. Darüber hinaus war „Dido & Aeneas“ eine positive Erfahrung, ein glückliches Zusammentreffen unterschiedlicher Elemente. Das möchte ich vertiefen.

Ist das nicht eine gefährliche Eigendynamik: immer größere Produktionen zu inszenieren? Die Gastspiele von Sasha Waltz & Guests sind mittlerweile so teuer, so dass sich nur große Häuser oder Festivals das leisten können.

Das sehe ich anders. Mit „Dido & Aeneas“ haben wir uns in Berlin und international ein neues Publikum erschlossen, das sich nun auch mit viel Interesse meine rein tänzerischen Arbeiten ansieht. Zudem touren wir mit „Dido & Aeneas“ mit sehr großem Erfolg. Außerdem gibt es ja nach wie vor die kleineren Stücke im Repertoire. Auch nach „Medea“ werde ich ein kleineres Tanzprojekt machen, denn es ist wichtig für mich, immer wieder auch intim zu arbeiten und mich mit tänzerischen Fragestellungen zu befassen. Die größeren Produktionen lassen für die Bewegungsforschung nicht so viel Raum.

Was versprechen Sie sich von dem Projekt „Tanz-Zeit“ an Schule, für das Sie sich engagieren?

Als Choreografin finde ich es wichtig, bei den Kindern anzufangen. Da werden die Samen gepflanzt. Mein Engagement hat natürlich damit zu tun, das wir selber zwei Kinder haben. Aber die Arbeit ist auch für mich als Künstlerin eine Herausforderung: Sie ist sehr anstrengend – aber man wird auch reich belohnt.

Daneben gibt es noch andere hoffnungsvolle Initiativen, die gerade gestartet wurden. Wo werden Sie aktiv?

Neben der Arbeit mit den Kindern möchte ich mich stärker im Bereich der Ausbildung von Choreographen engagieren. Darüber sprechen wir gegenwärtig mit unterschiedlichen Institutionen. Außerdem gibt es einige Arbeiten von mir, die in den Bereich der Bildenden Kunst reichen. In dieser Richtung möchten wir auch gerne mehr realisieren.

Das Gespräch führte Sandra Luzina.„insideout“ läuft noch einmal am 3.12. um 15.30 Uhr im Radialsystem. „Tanz made in Berlin“ vom 1. bis 17.12. Info: www.tanznachtberlin.de

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