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Bauruine. Ein Tempeltor) auf Naxos. Aquarell von Thomas Hope (1769-1831).

© Benaki Museum, Athen

Ein Forschungszentrum für Griechenland: Mehr Hellas

Das neue Centrum Modernes Griechenland an der Freien Universität soll die Beziehungen zwischen Athen und Berlin intensivieren. Die Mittel stellt vor allem die Stavros Niarchos Stiftung zur Verfügung..

Von Gregor Dotzauer

Die Götter Griechenlands hielt schon Friedrich Schiller für verloren. „Schöne Welt, wo bist du“, fragte er in einem antikeberauschten Gedicht von 1788 und rief beschwörend: „Kehre wieder, / Holdes Blütenalter der Natur! / Ach! nur in dem Feenland der Lieder / Lebt noch deine goldne Spur. / Ausgestorben trauert das Gefilde, / Keine Gottheit zeigt sich meinem Blick, / Ach! von jenem lebenwarmen Bilde / Blieb nur das Gerippe mir zurück.“ Die seit vier Jahren virulente Staatsschuldenkrise erweckt nun den Eindruck, dass auch das moderne, das demokratische, das europäische Griechenland ein Fall für das Beinhaus ist.

Der zeitweilige Zusammenbruch des öffentlichen Lebens blieb auch für Berlin nicht folgenlos. Im allgemeinen Chaos mag die von Athen erst finanziell im Stich gelassene und schließlich Hals über Kopf geschlossene Kulturstiftung am Wittenbergplatz eine Marginalie gewesen sein – für die Diplomatie war es ein Paukenschlag. Insofern hat es hohen symbolischen Wert, wenn am heutigen Freitag ein Centrum Modernes Griechenland (CEMOG) im Henry-Ford-Bau der Freien Universität mit einer Rede von Vassilios Skouris, dem Präsidenten des EU-Gerichtshofs, feierlich eröffnet wird. Er untersucht die deutsch-griechischen Beziehungen im Bereich der Wissenschaft.

Der Mann, der das alles auf den Weg gebracht hat, ist der Direktor des Instituts für Griechische und Lateinische Philologie an der FU, der Neogräzist Miltiadis Pechlivanos. Er träumt seit Jahren von einer Einrichtung, die sich der Erforschung des Kulturtransfers zwischen beiden Ländern verschrieben hat. Insofern ist er glücklich, dass es ihm mithilfe der Athener Stavros Niarchos Foundation (www.snf.org) endlich gelungen ist, das Projekt auf die Beine zu stellen, und ein wenig unglücklich, dass es wie eine Reparaturarbeit am Stocken des offiziellen Kulturengagements anmutet.

Die Wirtschaftskrise, sagt er, sei nicht der Anlass gewesen, das CEMOG (www.cemog.fu-berlin.de) aufzubauen, sie habe dessen Entstehung vielmehr verzögert. Zugleich freut er sich, dass die Griechische Kulturstiftung im Herbst in neuen Räumen die Arbeit wieder aufnehmen will. In Gestalt der Theaterwissenschaftlerin Eleni Varopoulou, einer Übersetzerin von Heiner Müller, Hermann Broch und Bertolt Brecht, gibt es bereits eine designierte Direktorin. Die Nachricht ist auch deshalb von Bedeutung, weil sie es dem CEMOG erlaubt, sich Literatur und Wissenschaft zu widmen, während sich die Kulturstiftung – unter Beibehaltung ihrer Bibliothek – eher auf die darstellenden Künste und die Malerei kaprizieren kann. Die Bürde der kulturellen Repräsentanz lastet also nicht auf dem CEMOG. Umso mehr ist es, so Pechlivanos, „ein großes Projekt für ein kleines Fach“.

Das Centrum ruht auf drei programmatischen Pfeilern. Die Intensivierung des wissenschaftlichen Austauschs durch Vorträge, Kongresse und Seminare versteht sich von selbst, nicht aber die Erstellung einer digitalen Enzyklopädie, die den Stand der Forschung netzöffentlich aufbereitet. Und schon gar nicht die Übernahme des 1982 in Köln gegründeten Romiosini Verlags, der sich ganz dem Verlegen zeitgenössischer griechischer Literatur gewidmet hat.

Die Verleger Niki und Hans Eideneier, zwei Neogräzisten, die Romiosini nun aus Altersgründen aufgeben, haben einen regelrechten Kanon des 20. Jahrhunderts definiert. Darunter sind die großen Dichter Konstantinos Kavafis, Jannis Ritsos, Odysseas Elytis und Giorgos Seferis – doch auch hierzulande wenig bekannte große Erzähler wie der 1932 geborenen Thanassis Valtinos, der vor allem als Drehbuchautor mehrerer Filme von Theo Angelopoulos Spuren hinterlassen hat. Er kommt im Rahmen eines Workshops am 21. Juni zu Besuch.

Von den 180 veröffentlichten und oft vergriffenen Romiosini-Titeln sollen in einer Edition nun 120 nach wissenschaftlichen Maßstäben überarbeitet und neu aufgelegt werden. Pechlivanos und sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Konstantinos Kosmas, der zuvor bei der Kulturstiftung arbeitete, wollen sie online gratis und als Book-on-Demand verfügbar machen. Dabei werden sie auch mit der exquisiten Hässlichkeit vieler Ausgaben kämpfen müssen: Die buchgestalterischen Aufgaben sind gegenüber den editorischen mindestens so hoch. Insgeheim wünschen sich die beiden auch, der Edition ein unmittelbar gegenwärtiges Gesicht zu geben – im Versuch, eventuelle Neuakquisitionen an Publikumsverlage zu lizenzieren. Mit nur zwei weiteren festen Mitarbeitern, einem Enzyklopädie-Verantwortlichen und einem IT-Koordinator, ist das ehrgeizig.

Für acht Jahre ist der Bestand des CEMOG momentan gesichert. Die Stiftung des verstorbenen Großreeders Niarchos, die mit einer höheren sechsstelligen Summe 70 Prozent des Etats trägt, will sich schon in vier Jahren zurückziehen. Die FU stellt weitere 30 Prozent und Sachmittel zur Verfügung. Die ganz großen Sprünge lassen sich damit nicht machen. Das Zauberwort lautet deshalb wie überall Drittmittel. Bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) läuft ein Antrag auf ein Sonderforschungsprojekt zum 19. Jahrhundert; wenn es mit den Büchern losgeht, will man den Übersetzerfonds ansprechen. Das Ziel aber ist Nachhaltigkeit – das Überleben aus eigenen und universitären Kräften.

Das Renommierunternehmen der Stiftung ist übrigens der Bau des von Renzo Piano entworfenen Kulturzentrums in Kallitheia vor den Toren Athens. 2015 sollen dort Nationalbibliothek und Nationaloper eröffnet werden – in einem Parkparadies von 170 000 Quadratmetern Fläche. Ist es rings um die FU nicht auch schon ganz grün?

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