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Kultur: Mehr Müll!

Großväter der Spaßgesellschaft: Basel feiert (mit) Schwitters und Arp

„Verhältnismäßig drückend drückt der Föhn/Es brodelt tief im Grunde;/Darüber eine Stadt, /die Basels Namen trägt und hat./Dort lint es Böck;/Dort beint es hol,/Es waldet grün und witzt,“ heißt es im Gedicht „Basel“ von 1935. Mit solch mildem Spott lässt sich die Humanistenstadt am Rhein gerne bedenken, um so mehr, als Kurt Schwitters (1887 – 1948) in jenem Jahr in Basel einen seiner berühmten lautmalerischen Vortragsabende gab.

So steht denn das Poem gleich am Eingang der Retrospektive an der Wand zu lesen, die das Museum Tinguely dem Meister des Merz unter dem Titel „Merz – ein Gesamtweltbild“ ausrichtet. Parallel dazu veranstaltet das Kunstmuseum Basel die Ausstellung „Schwitters – Arp“, die die lebenslange Freundschaft und den künstlerischen Austausch der beiden großen Einzelgänger beleuchtet. Es trifft sich, dass Hans Arp (1886 – 1966) bei jenem Vortragsabend anwesend war: „Mit welch hinreißendem Schwung sang, trillerte, flüsterte, schnarrte, jubelte er seine Ursonate, bis die Zuhörer aus ihrer grauen Haut fuhren.“

Viel Schwitters also (und weniger Arp), und das auch noch einfach so und ohne kalendarischen Anlass. Es muss genügen, dass es seit 1971 keine repräsentative Schwitters-Ausstellung in der Schweiz mehr gegeben hat. Jetzt war die Gelegenheit günstig, denn das Sprengel-Museum Hannover als Hüter des weltgrößten Schwitters-Bestandes zeigte sich leihfreudig. Immerhin feiert Basel heute den 117. Geburtstag des „Merz“- Meisters mit einem ganztägigen Fest im Solitude-Park unter dem Schwitters-Motto „Sagen Sie es nachher allen, wie nett es gewesen ist!“

Während im Tinguely-Museum die Rekonstruktion des „Merzbaus“ im Mittelpunkt steht (um den herum sich konzentrisch Aspekte des Werkes ordnen), folgt das Kunstmuseum der Chronologie der Künstlerfreundschaft. Zwischen beiden Ausstellungen gibt es mithin Überschneidungen oder besser: Ergänzungen. Vor allem die großen, düster-geheimnisvollen „Merzbilder“ der Jahre nach 1919, in denen Schwitters seine ganz eigene Form der abstrakten, bemalten Assemblagen und Collagen entwickelte, ziehen den Blick auf sich. Ihre Radikalität, die ihn seinerzeit selbst innerhalb der Avantgarde zum Außenseiter stempelte, ist heute nur mehr zu erahnen; aber es gilt ins Bewusstsein zu rufen, dass es eben diese Radikalität war, die Schwitters’ Aufnahme ins Museum bewirkt hat.

Man könne „auch mit Müllabfällen schreien“, so sein berühmtes Diktum in den verzweifelten Jahren nach der Katstrophe des Weltkriegs. Da schwingt noch expressionistisches Pathos mit, von dem sich der Künstler-Dichter alsbald entfernte, um in feinsinnigem, von manchen als leichtgewichtig unterschätzten Humor den ihm gemäßen Ausdruck zu finden. Ihm wurde alles „Merz“.

Im Vergleich dazu gilt Arp als der Formbewusste, der elegant auf der Scheidelinie von Figuration und Abstraktion schwebt, wie seine Holzreliefs und „Torsi“ der späten Zwanziger- und frühen Dreißigerjahre bezeugen. Das im Kunstmuseum gezeigte Spätwerk der Sechzigerjahre lässt die stupende Formsicherheit bisweilen in dekorativer Glätte erstarren. Arp kommt vom Zürcher Dadaismus her, jener in den Kriegsjahren entwickelten Dekonstruktion herkömmlicher Formprinzipien in Sprache, Ton und Bild. In einem entscheidenden Werk begegnen sich beide Künstler als „Dioskurenpaar“, wie es im Katalog des Kunstmuseums heißt (der wie sein Pendant vom Tinguely-Museum als materialreiches Handbuch besticht). Die „Breite Schmurchel“ ist eine Gemeinschaftsarbeit von 1923, ein monochromes Treibholzrelief, das ebenso vom spielerischen Zufall wie von strenger Komposition geprägt ist. Diese aus der Nationalgalerie Berlin entliehene Arbeit führt aufs Schönste die Mehrschichtigkeit von Dada/Merz und ihrer beiden Protagonisten vor.

Es war nett in Basel – weitersagen!

Basel, jeweils bis 22. August. Katalog Kunstmuseum bei Hatje Cantz, 58 sFr, geb. im Buchhandel 39,80 €; Katalog Museum Tinguely bei Benteli, 59 sFr. – Weitere Informationen unter MySwitzerland.com

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