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Kultur: Meile mit Weile

Peter von Becker liest die Wörter des Jahres

Der „Problembär“ hat es nur auf den 7. Platz geschafft. Wir hätten Bruno doch wenigstens posthum einen Platz auf dem Treppchen gewünscht. Aber gegen die Nummer 1, die „Fanmeile“ als Wort des Jahres 2006, lässt sich nichts sagen. Da sehen wir den Wortwählern der Wiesbadener Gesellschaft für Deutsche Sprache das boulevardfeile „Schwarz-Rot-Geil“ auf Rang 10 glatt nach. Dank der Begeisterung über Deutschlands „Klinsmänner“ (Platz 9) hat uns die Fanmeile also vor „Bezahlstudium“ (7) und „Prekariat“ (6), vor „Karikaturenstreit“ (3) und „Generation Praktikum“ (2) als grauem matten Inbegriff dieses schönen Fußballjahrs bewahrt.

Wahrscheinlich würde allerdings die Mehrheit der Meilenfans gar nicht mehr wissen, wie lang eine Meile überhaupt ist. Und selbst die Bundestagsabgeordneten dürften bei der Abstimmung über den Libanon-Einsatz der Bundesmarine kaum gepeilt haben, ob sich die umstrittene Sechsmeilenzone nach Seemeilen (jeweils 1852 Meter) oder der britischen Landmeile (1609 Meter) rechnet. Irgendwie gibt’s halt nur Miles & more.

Die Bannmeile oder der Meilenstein, lauter ehrwürdige Begriffe, doch die Meile selbst lebt mehr dem Wortlaut als dem Inhalt nach fort. In Bodo Mrozeks „Lexikon der bedrohten Wörter“ könnte die Meile, trotz ihrer Fans, irgendwann der „Manchesterhose“ und der „Maulschelle“ folgen. Vielleicht gehört bald auch schon das Wort „Bundeskanzlerin“ dorthin. 2005 war es noch das Wort des Jahres, und Angela Merkel regiert noch immer. Doch im Fernsehen reden die Christiansens, Maischbergers, Beckmänner die Kanzlerin mit „Frau Merkel“ an – was sie sich bei Schröder so nicht getraut haben. Auch im Parlament macht das schon Schule. Dafür hat „Bundeskanzlerin“ alle Chancen, zu den Exportworten im Ausland zu zählen. Laut Goethe-Institut reüssieren da nicht mehr nur „kindergarden“, German „angst“ und „le waldsterben“. Im Finnischen gibt es „Besservisseri“ und „Kaffeepausi“, im Türkischen hat man „fertik“ und im Englischen seinen „eigenvalue“. Die Polen übernehmen den „szlafrok“, die Iraner das „Schiebedach“, und die Franzosen nennen die deutsche Fußballelf „la Mannschaft“. Alles bene!

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