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Kultur: Mein Kollege Macbeth

Andreas Kriegenburg inszeniert Shakespeares Tragödie in Hamburg als Büroklamotte

Von Katrin Ullmann

Haben Sie Jacques Tatis „Playtime“ gesehen? Diesen wundervollen Film von 1967. in dem sich Monsieur Hulot auf der Suche nach Monsieur Giffard in den Gängen, Fahrstühlen, Vorzimmern und Fertigbüros eines ununübersichtlichen Firmenkomplexes heillos verirrt? Andreas Kriegenburg situiert seinen „Macbeth“ in einer verblüffend ähnlichen Umgebung. In einem Großraumbüro, unterteilt in ein Dutzend gläserne Einzelparzellen. Jede ausgestattet mit einer Büroeinheit aus Stuhl, Schreibtisch, Lampe, Computer, Telefon und Schwingtür. Johanna Pfau hat diese Bühne mit Liebe zum Detail und angemessener Nüchternheit entworfen und Schottlands Feldherren, Könige und solche, die es werden wollen, in Büroanzüge gesteckt.

Macbeth und Banquo sind Freunde und Kollegen, die ihre kindischen Rituale pflegen. Aus den benachbarten Büros rufen sie sich gegenseitig an, besuchen einander oder werfen sich die Reste ihres Lunchpaketes zu. Duncan, der König von Schottland, ist ihr Arbeitgeber. Ein Chef (Harald Baumgartner), der auch mal von Blut, Krieg und Schlachten redet, panisch durch die Bürogänge rast und seine Mitarbeiter bestürmt, zu den Schwerten zu greifen. Doch meist benehmen sich er und seine Angestellten normal. Sprechen über die letzte Betriebsfeier, das aktuelle EDV-Problem oder gratulieren Macbeth zur Beförderung. Dann klemmen sie sich alle in seine Arbeitszelle, plaudern und rauchen. Schließlich hat Kriegenburg am Thalia Theater Hamburg nicht Shakespeare, sondern nach Shakespeare inszeniert. Und so benutzt er wenig Originaltext und umso mehr Alltagssprache, Slapstick und Improvisationskomik - bis hin zum Klamauk.

ABBAs „The winner takes it all“ läuft, und man ahnt, dass es Kriegenburg um Macht und Karriere geht. Um jene dunklen Wünsche, die in Macbeth nach der Weissagung der drei Hexen geweckt sind. Der Regisseur übersetzt die Situation ins Heute, in die Welt eines kleinen Mannes, dessen Frau, Lady Macbeth, ihm zunächst die ungeliebte Pausenstulle vorbeibringt und ihn später zu den nötigen blutrünstigen Morden anstiftet.

Die Idee ist gut. Die Atmosphäre passt. Und Jörg Pose – ganz neu im Thalia-Ensemble – spielt hervorragend diesen trägen Beamten, der bei dem bloßen Gedanken an ein Verbrechen in sich zusammensackt. Nach dem ersten Mord an Duncan hat er sofort Gewissensbisse, während sich seine Lady (Natali Seelig) mit glitzernd-listigen Augen daran erfreut. Doch leider verliebt sich Kriegenburg beim Mobbing und Morden in Nebensächlichkeiten, zelebriert den Arbeitsalltag mehr als dieTragödie und erzählt allzu träge die Eintönigkeit der „nine to five“-Angestellten. Zu oft schwingen die Türen auf und zu, klingeln die Telefone und klappert die Tastatur. Nach kurzer Zeit hat der Regisseur alle Spielmöglichkeiten durchexerziert und verlängert künstlich diesen ersten Teil des Dramas, indem er nach jeder noch so kurzen Szene einen Black setzt. Sein Konzept will nicht spannend werden.

Nach der Pause ist die Bühne leer geräumt, das Großraumbüro zur Chefetage geworden. Jörg Pose erschrickt darin so sehr vor seiner eigenen Stimme, dass Banquo (Peter Kurth) ihm eine bravouröse Startenor-Einlage gibt. Doch Macbeth hört jetzt noch mehr fremde Stimmen und sieht all die Toten wiederauferstehen. Also bittet er seine Auftragskiller Helmut Mooshammer und Thomas Schmauser, auch Banquo zu ermorden. Dies geschieht – der Kerl ist zäh – mit roher Gewalt und spritzendem Blut. Danach sind Macbeths Albträume erst recht geweckt. Lady Macbeth wird zur Badewannenleiche, und Macbeth selbst stirbt schließlich – die Prophezeiung hat Recht behalten – im Zweikampf mit Macduff. Am Ende sitzen die ehemaligen Kollegen (Judith Hoffmann, Benno Iffland, Hans Löw und Axel Olsson) verloren auf dem Badewannenrand und rauchen. Wie die Zukunft aussieht? Vielleicht gründen sie ja jeder eine Ich-AG.

Katrin Ullmann

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