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Kultur: Mein Selbstporträt

Regisseur François Ozon über „Swimming Pool“

Um mit dem Ende zu beginnen: Warum haben Sie Julie, die von Ludivine Sagnier gespielt wird, in der Schlussszene mit einem anderen Mädchen besetzt?

Nein, nein. Julie ist schon Julie, aber Julie ist nicht Julia. Die Tochter des Verlegers, der Charlotte Rampling am Ende in London begegnet, heißt Julia. Den ganzen Film über hatte sie es aber mit einem Mädchen namens Julie zu tun. Julie und Julia sind also nicht identisch. Was aber ist wahr? Wer ist die echte Tochter, wer die falsche? Gibt es zwei Töchter? War Julie nur eine Fantasie Sarah Mortons, jemand der bloß in ihrem Buch existiert? Hat es den Mord überhaupt gegeben? Ich biete verschiedene Möglichkeiten an, aber keine Lösung einer MysteryStory.

Sie haben den Fantasmagorien der Menschen schon immer großen Raum eingeräumt.

Daraus erschließt sich genauso viel über sie wie aus dem, was sie tatsächlich tun. Und da mich das sogenannte psychologische Kino nicht besonders anregt, halte ich mich lieber an die disparate Logik von Träumen, an die Verschiebungen zwischen Illusion und Desillusion. Das Kino von Buñuel – vor allem sein übergangsloses und gleichberechtigtes Nebeneinander von ,fantasierten’ und ,realen’ Momenten – hat mich zu einer Erzählweise geführt, die eher aus dem Bereich der Poesie kommt als aus dem der Rationalität.

Wenn Sie von Fantasmagorien sprechen: Meinen Sie da Ihre eigenen oder die Ihrer Figuren?

Das teilt sich mehr oder weniger gleichberechtigt in meinen Filmen auf. In den introvertierten wie „Unter dem Sand“ geht es mehr um die Fantasmen der jeweiligen Hauptpersonen, in den extrovertierten, etwa „8 Frauen“, geht es mehr um meine eigenen. In „Swimming Pool“ habe ich wohl versucht, beide Stränge zusammenzuführen, was sich aus der Besetzung – Charlotte Rampling aus „Unter dem Sand“ und Ludivine Sagnier aus „8 Frauen“ – mit einigem Recht schließen lässt.

Ist ein Ozon-Film ohne das Spiel mit Vorbildern denkbar? Sie gelten ja schon. ironisiert, als Musterschüler der Filmgeschichte.

Wie soll ich Ihnen darauf eine generelle Antwort geben? „Swimming Pool“ ist sehr viel weniger referentiell als „8 Frauen“, der tatsächlich meine Verbeugung vor einer bestimmten Art von Kino war, das ich bewundere. Und vor einem bestimmten Typus von Schauspielerinnen. In „Swimming Pool“ habe ich eher den Versuch eines Selbstporträts unternommen.

Wie meinen Sie das?

Ich wollte darüber nachdenken, was Kreativität in einem und mit einem macht. Und auch, wie das auf andere wirkt. Da wird viel Fantasie und Sensibilität mobilisiert, und zugleich kann genau das für Ihre Umgebung eine Zumutung sein – denn Sie verhalten sich ja zwangsläufig ziemlich ausbeuterisch. In meinem Kopf schwirren unendlich viele Stories umeinander. Ich hatte nie das Problem, eine Story zu erfinden, sondern immer nur zu entscheiden, welche Story genügend Energie hat, mich für sechs oder neun Monate zu fesseln und eine stabile Beziehung mit meinem grundlegenden Thema einzugehen. Und mein grundlegendes Thema wird wahrscheinlich immer die Formenvielfalt des Begehrens sein.

Ihre letzten beiden Filme waren sehr erfolgreich. Sie drehen etwa einen Spielfilm pro Jahr: Schmieden Sie da auch ein bisschen das Eisen, so lange es heiß ist?

Mein Produzent vielleicht. Ich nicht. Wenn es nach mir ginge, würde ich doppelt so viel drehen. Wahrscheinlich wird niemand Fassbinder toppen können – Anfang der siebziger Jahre hat er mal sieben Filme in zwei Jahren gemacht. Aber im Prinzip könnte ich mir diesen Stakkato-Rhythmus schon vorstellen. Im Moment ist es jedoch so, dass mich ein Film nach der Fertigstellung genau so lange beansprucht wie die eigentliche Produktion.

Bei „8 Frauen“ hat der Look, diese immense Sorgfalt in der Aufbereitung, den Film selbst fast schon überlagert.

Ich habe keinerlei Scheu, die guten Seiten meiner Filme auch offensiv herauszustellen. Es ist die Pflicht jedes Filmemachers, die eigene Arbeit auch an die Menschen zu bringen, ein Film lernt das Laufen schließlich nicht von allein. Bei „Swimming Pool“ arbeiten wir sehr stark mit der Optik eines attraktiven Mädchenkörpers. Wenn das Menschen neugierig macht – nichts lieber als das. Wir wollen das Publikum damit locken, es dann aber auf ein anderes Gleis führen.

Dieses Gleis führt zu einer Geschichte um zwei Frauen verschiedenen Alters, unfreiwillig zusammengebracht in einem Haus. Diese Konstellation hatten Sie bereits in Ihrem Erstling „Regarde la mer“ erprobt. Auch er lebte schon von der wachsenden Spannung, und auch das Element Wasser spielte eine große Rolle.

Eben so wie in „Unter dem Sand“. Wasser ist ein Element der Auflösung. Bei meinen früheren Filmen ging es allerdings um das Meer, um die bedrohliche Naturgewalt. In „Swimming Pool“ ist das Wasser gebändigt, ein künstliches vom Menschen geschaffenes Becken. Man wirft Vorstellungen darauf, die von der Wasseroberfläche gebrochen und reflektiert werden – ein geeignetes Symbol auch für Reflexion und Projektion , schließlich wollte ich über den Schaffensprozess nachdenken. Dder Pool ist fast wie eine Kinoleinwand: Wenn Julie ihn durchtaucht, dann durchquert sie das Projektionsfeld von Sarah Morton. Über dem Swimming Pool liegt auch, wie bei einer Kinoleinwand, eine Abdeckung. Erst wenn sie weg ist, kann die Vorstellung im doppelten Wortsinn beginnen.

A propos Sarah Morton: Machen Sie sich da auch über eine gewisse Britishness lustig?

Die Geschichte zwischen Engländern und Franzosen ist eigenartig. Beide pflegen die Gegensätze und sind auch voneinander angezogen: Die Engländer haben die Provence schon 100 Jahren zu ihrem Elysium erklärt, dafür wünschen sich viele Franzosen einen Mini-Cooper – in British Green. Charlotte kann, als in Frankreich ansässige Engländerin, das alles sehr authentisch und variabel verkörpern, schließlich ist sie eine der besten Schauspielerinnen ihrer Generation.

Das Gespräch führte Ralph Eue. Die Filmkritik lesen Sie auf Seite 25.

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