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Kultur: Meister des Gestischen - Wenn die Farben Feuer fangen

Einer der berlinischsten Maler seiner Zeit und Generation ist gestorbenHeinz Ohff Die Nachricht kam nicht überraschend. Er war schon lange unheilbar krank - in der Nacht vom Montag auf Dienstag ist Walter Stöhrer in seiner schleswig-holsteinischen Wahlheimat (oder, wie er selbst es einmal mit hämischem Unterton formulierte, seinem "Alterssitz") gestorben.

Einer der berlinischsten Maler seiner Zeit und Generation ist gestorbenHeinz Ohff

Die Nachricht kam nicht überraschend. Er war schon lange unheilbar krank - in der Nacht vom Montag auf Dienstag ist Walter Stöhrer in seiner schleswig-holsteinischen Wahlheimat (oder, wie er selbst es einmal mit hämischem Unterton formulierte, seinem "Alterssitz") gestorben. Eine letzte, traurige Nachricht, auch für Berlin, wo er im bürgerlichen Teil Kreuzbergs immer noch sein Hauptatelier in typischer Atmosphäre besaß: in der großstädtischen Künstleridylle von Riehmers Hofgarten.

Berlin dürfte überhaupt die eigentliche Mal-Heimat des 1937 in Stuttgart geborenen Künstlers gewesen sein. Hier fand er jenen eigenen, unvergleichlichen Stil, auf den die Kunst gewartet zu haben schien - denn er brachte auf einen Nenner, was bis dahin sporadisch als speziell Berliner Beitrag zur zeitgenössischen Malerei angeklungen, aber noch nicht zu einem vollen Klang vereint worden war.

Kritiker führten dieses Phänomen vornehmlich auf seine Lehrer zurück, die sowohl in Stuttgart als auch in Berlin zugleich seine Freunde waren: der zur Abstraktion strebende Expressionist HAP Grieshaber in Stuttgart, der Tachist Fred Thieler in Berlin. Hinzu kam ein später Rückgriff auf die farbkräftige Kritzelabstraktion der im Nachkrieg florierenden Gruppe Cobra.

Aber Kunst ist keine chemische Zusammensetzung aus Vorbildern, auch wenn es manchmal so scheint. Wo jedoch ein eklatanter Künstler auftritt, findet sich rasch ein Etikett. Stöhrer wurde mit seiner spontanen Pinselführung rasch unter "Abstrakte Kalligraphie mit figurativen Verfestigungen surrealen Ursprungs" (Originalzitat aus einem klugen Buch) abgeheftet. Bald jedoch nach seiner Übersiedlung 1959 von Stuttgart stellte sich heraus, dass dem Künstler mit derartiger Theorie nicht beizukommen war. Stöhrer hatte seinen eigenen Stil gefunden und ging fortan seinen eigenen Weg weiter, ohne nach links oder rechts zu sehen.

Das klingt einfach genug, entwickelte sich aber unter schweren Umständen. Jahrelang galt er als Nachzügler - für ihn eine schier endlose Durststrecke, die verschiedentlich zu Zusammenbrüchen führte.

Das Werk allerdings gedieh prachtvoll, sowohl unter Missachtung als auch bei steigender Prominenz. Er wurde zu einem der berlinischsten Maler seiner Zeit und seiner Generation.

Vielleicht lag es an seiner Technik, die er einst entwickelt und niemals wieder verlassen hatte. Merkwürdigerweise ging er von der Literatur aus. Er las viel und ließ sich vor allem von philosophischen Erzählern inspirieren. Dann schrieb er (also tatsächlich ein Kalligraph!) irgendein Zitat aus seiner Lektüre auf die Leinwand, das zum Ausgangspunkt seiner eigentlichen Arbeit wurde. Von ihm ausgehend entwickelte er das Feuerwerk jener Farbschwünge, die die Leinwand oder in der Grafik, die ihm ebenfalls wichtig war, das Papier oft bis zum Rand füllten. Eines Tages war er der Meister des Gestischen, das sein zeichnerisches Temperament wohl recht eigentlich zur Entfaltung brachte. Kunstpreise regneten auf ihn herab, und nachdem man ihn als Gastprofessor ausprobiert hatte, berief ihn die Hochschule der bildenden Künste endlich zum Professor.

Er war als Lehrer, wie mir viele seiner Schüler berichtet haben, beliebt. Aber er änderte sich nie. Ob als Bohémien wie am Anfang oder als Professor am viel zu frühen Ende seiner Laufbahn, blieb er, ohne je einen Kompromiss zu machen, ein Künstler in seinem reinsten Erscheinungsbild.

Heinz Ohff

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