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Kultur: Meisterbringer

Bob Dylan: Alte Weisen und Zusatzkonzert in Berlin.

Nun, das sind Nachrichten. Nicht nur, dass Bob Dylan im Oktober im Tempodrom spielt, an einem relativ überschaubaren Ort, wo man auf so etwas wie Atmosphäre hoffen kann. Er spielt auch noch ein Zusatzkonzert, also drei Abende hintereinander in dem Zirkusbau mit der spitzen Betonkrone (24. bis 26.10.). Neues altes Material aus den Archiven beschäftigt derweil die Dylan-Gemeinde. Als Vol. 10 der „Bootleg Series“ liegt „Another Self Portrait“ vor (Columbia/Sony), drei Dutzend Songs aus der mysteriösen Phase zwischen 1969 und 1971.

Dylan war damals abgetaucht, hatte sich aufs Land zurückgezogen. Das „Nashville Skyline“-Album machte ihn nicht zum Country-Sänger, aber es enthielt wunderbare Country-Rock-Sachen wie „Lay Lady Lay“, „I’ll be Your Baby Tonight“ oder „I Threw It All Away“; die beiden letzteren sind hier in alternativer Version oder Live-Mitschnitt enthalten. Gleiches gilt für eine Reihe von Songs, die auf den umstrittenen, gar gehassten Alben „Self Portrait“ und „New Morning“ veröffentlicht worden waren. Dazu hört man jetzt bislang Unveröffentlichtes wie „Pretty Saro“ oder „Working On A Guru“, und man begreift: Der Mann mag sich in einer schweren Krise befunden haben. Aber er hat wie ein Besessener gearbeitet, wie ein Maler, dessen Atelier in Skizzen und halb fertigen oder vielfach übermalten Bildern ertrinkt. Dylan spielte den Blues, er horchte in Traditionals hinein, seine Stimme war ein weicher Tenor und jedes Wort klar artikuliert. Er suchte das Einfache, experimentierte mit Stilen und lyrischen Gesten – das Politisch-Gesellschaftliche aber blieb draußen, in einem Land, in dem die Protestkultur stark war wie nie und dessen Jugend einen Propheten und Anführer reklamierte.

Dylan hielt sein Privatissimum durch. „If Not For You“ mit Violinbegleitung – ein Juwel. Nennen wir diese Jahre ruhig country comfort. Auch der Soundtrack zu „Pat Garrett & Billy the Kid“ und „Planet Waves“ (mit The Band) gehören dazu. Und in allem kündigt sich das Meisterwerk „Blood On The Tracks“ von 1975 an, sein stiller Triumph. Rüdiger Schaper

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